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Geschrieben von Bouillabaisse am 20.04.2024, 21:32 Uhr

Meine Mama

Hallo und vielen Dank für die Antworten. Ich werde später auf jede einzelne eingehen, weil ihr euch so viel Mühe gemacht habt und ich das sehr zu würdigen weiß. Ich finde es aber etwas umständlich hier übers Handy, daher erstmal eine Sammelantwort.

Es hat mir sehr geholfen. Ich habe mich gefragt, ob das wirklich so ist - dass ich mich durch meine Geburt schuldig fühle. Eigentlich tat es mir eher leid, dass die Umstände so waren, dass sie sich dazu gezwungen gefühlt hat, ein Kind zu bekommen. Dann war auch noch die Geburt traumatisch. Ich glaube, dieses Thema regretting motherhood wäre für sie genau das richtige gewesen. Aber vielleicht habt ihr auch recht und da ist schon ein bisschen Schuldbewusstsein bei mir. Ich fühle mich durchaus oft für sie verantwortlich und habe mich in der Vergangenheit auch manchmal gefragt, ob da eine gewisse Co-Abhängigkeit von meiner Seite besteht. Es hilft mir sehr, zu lesen und mir auch immer wieder zu denken, dass sie erwachsen ist und ich nicht ihre Mutter. Es ist auch schon viel besser geworden, spätestens seit ich selbst Kinder habe.

Natürlich habt ihr recht - sie hat alle Entscheidungen selbst getroffen und es ist nicht so, dass ich alles doof finde. Tatsächlich habe ich das so ausführlich wie hier beschrieben ihr auch nie gesagt oder vorher gedacht. Aber ich sage ihr ganz oft, dass ich es zum Beispiel ganz stark von ihr finde, dass sie meinen Vater zum Teufel gejagt hat - ich kenne sehr viele Frauen, die damals nicht den Mut oder die Kraft dazu hatten.

Zurück in die Heimat war bis vor zwei Jahren ab und an Thema. Sie meinte aber, dass sie das nicht möchte, weil mein Mann, die Kinder und ich hier sind. Und sie denkt, dass es ihr dort nicht so gut gehen würde, wie hier. Ihre Schwester und deren Kind plus Familie leben noch dort. Sie hat auch alte Schulfreundinnen da, ja.

Auch, dass es ein anders Land ist, als früher stimmt so und ich denke kaum, dass sie sich da wieder einfinden würde. Wir kommen aus Russland. Wie viele RussInnen fand sie die Zeiten der Sowjetunion ganz gut, die Perestroika hat sie als eine sehr schwierige Zeit in Erinnerung. Danach kamen die ganzen westlichen Produkte ins Land, was natürlich klasse und spannend war , aber viele Menschen verloren viel Geld oder ihre Jobs. Wobei sie ganz gut weggekommen ist.
Das Dorf, aus dem sie kam und das dank der ansässigen Firma aufblühte, zerfiel durch die Insolvenz eben jener Firma. Meine Mama zog mit mir in die Stadt und irgendwann fiel die Entscheidung, auszuwandern. Das Land, das sie als gut in Erinnerung hatte, gab es also bereits damals nicht mehr.

Seit Kriegsausbruch ist das eigentlich überhaupt kein Thema mehr, ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob das momentan so einfach gehen würde.

Mal abgesehen davon, sind es halt fast vier Stunden Flug. Wir würden uns sehr selten sehen.


Vielleicht habe ich auch einfach einen negativen Moment erwischt? Meine Mama ist eine Person, die recht gerne und ausgiebig jammert und sich der Folgen nicht so sehr bewusst ist. Allerdings ist wenige Stunden später alles doch nur halb so wild. Beispiel: neulich haute sie raus, dass sie ja angeblich keine Enkel wollte. Ich erinnere mich aber, dass sie mich ganz schön genervt hat mit dem Thema, als keine Kinder da waren und dass sie auch zugegeben hatte, geweint zu haben, als Kind eins geboren war. Auch im Umgang mit den Kindern merke ich davon nichts. Ich frage sie manchmal, weil mich das zutiefst verunsichert hat, aber sie winkt meistens ab oder gibt eine schwammige Antwort und spielt einfach mit den Kindern
Vielleicht nehme ich das auch zu ernst? Wir haben uns heute getroffen und spontan mit Freunden einen Ausflug gemacht. Ich war erstaunt, dass sie überhaupt mitgekommen ist und sie war entspannt und wir haben darüber geredet, wie gut wir es trotz aller Widrigkeiten hatten, als wir nach Deutschland kamen und dass es uns auch gut geht und das Auswandern die richtige Entscheidung war.

Also ja, vielleicht sieht sie ihr Leben auch gar nicht so, wie ich es beschrieben habe. Vielleicht habe ich mich auch zu sehr hinein gesteigert?

Und klar, ihr steht es zu, ihr Leben selbst zu leben, wie sie möchte. Ich meine, es gebe sogar sowas wie ein Recht auf Verwahrlosung - wobei sie davon ganz weit entfernt ist, das fiel mir nur zum Thema Einmischung in anderer Leben ein.
Ich wollte sie mal drängen, sich mit einem Mann zu treffen wieder. Sie hat mir erklärt, dass sie da keine Lust drauf hat, weil sie es gut findet, alleine zu sein und ihre Ruhe zu haben. Das hat mir auch ein bisschen die Augen geöffnet, weil ich in meiner jugendlichen Arroganz meine Ansichten für die einzig richtigen hielt und in meiner Welt MUSSTE sie doch einen neuen Partner wollen. Rückblickend war und ist es für sie vielleicht sogar eine Erleichterung und Befreiung eben nichts mit einem Mann zu tun haben zu müssen. Insbesondere, da sie meinen Stiefvater alleine gepflegt hat.

Wahrscheinlich ist es wirklich unfair und gemein von mir, das so negativ zu werten. Ja, es ist nicht das Leben, das ICH meiner Mama gewünscht hätte und ich wünsche mir, dass sie die ihr verbliebene Zeit anders nutzt, aber ja. Das ist letzen Endes ihre Entscheidung und ich kann sie eben nicht zwingen. Es tut mir halt immer so leid, wenn sie sich wieder beschwert, aber vielleicht darf ich mir das nicht so zu Herzen nehmen….

 
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