Das ist für Alle nicht mehr schön

"Das Enzensberger-Zitat richtet sich ja vor allem an Individual-Reisende, die sich als höhere Kaste begreifen, weil sie "off the beaten track" unterwegs sind. Dabei erschließen sie oft ungewollt neue Destinationen, nur um sich hinterher über die danach Kommenden zu beschweren. Sehr lustig ist hierzu übrigens das Buch "Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt" von 2012. Da geht es u. a. um Hierarchien zwischen Reisenden. Es kann sich jeder einordnen und mal prüfen, welches Klischee er bedient - es hat aber auch einfach hohen Unterhaltungswert, gerade wenn man einige der erwähnten Orte live erlebt habt. Fazit: "Alle wollen da landen, wo keine Touristen sind. Aber weil Traveller eben auch Touristen sind, hocken doch wieder alle auf einem Haufen." "

Darüber musste ich in Myanmar viel nachdenken, das für mich die erste und bisher einzige Fernreise war. Selbst in diesem vergleichsweise wenig bereisten Land gab es damals (2019) bereits eine irrsinnig ausgebaute Tourismus-Infrastruktur, und natürlich gab es andere Preise für Touristen als für Einheimische, dieses Phänomen habe ich sogar in Riga beobachtet. Als ich dann als (im Verhältnis dazu) reiche, weiße, Frau, selbst wenn wir die heimische Infrastruktur wie Tuktuks und Überland-Busse genutzt haben, aber dann an Bambushütten vorbeifuhren, wo Menschen tagein, tagaus zusammen mit Straßenhunden und Haustieren ihr Dasein fristeten in dem Bewusstsein, dass sie selbst nie auf der anderen Seite des Busfensters sitzen würden, habe ich mich gefühlt wie in einem Menschenzoo. Deshalb ist auch mein Blick auf die ganzen Reiseblogger ein sehr kritischer geworden. Aber klar, auch meine Kinder bereisen die Welt und haben die Mittel dazu, die die Einheimischen nicht hätten. Aus dieser Diskrepanz und dieser Schere im Kopf kommst du als privilegierter Europäer nicht raus, egal wie du es anstellst.