Frage: 2jährige Zwillingsjungs und viele Fragen

Hallo Alexandra, es ist knapp ein halbes Jahr her, dass ich dich schon mal um Rat gefragt habe. Deine Antwort hatte mir damals unglaublich viel Kraft gegeben.  Aus diesem Grund möchte ich dich noch einmal anfragen. Meine eineiigen Zwillingsjungs werden nächste Woche 2 Jahre alt. Sie streiten sich gerade bis aufs Blut: Sie beißen und kneifen sich teilweise blutig. Meist streiten sie sich um Spielzeug. Für mich als Mutter ist das eine schwierige Situation.  Natürlich gehe ich dazwischen und sage ihnen, dass wir uns nicht beißen und nicht kneifen. Sollen wir alles Spielzeug doppelt kaufen oder müssen die Jungs lernen,  sich zu arrangieren und zu teilen? Ich habe mit beiden Varianten Bauchschmerzen. Sie teilen ja quasi nicht nur ihr Aussehen, auch uns als Eltern und dann sollen sie auch noch ihr Spielzeug teilen? Auf der anderen Seite: wenn wir alles doppelt haben, machen wir die Jungs ja auch wieder gleich. Mir ist eigentlich wichtig, die Individualität der beiden zu fördern.  Womit ich zur nächsten Frage komme: Dadurch, dass sie sich so oft streiten,  kamen wir Eltern nun auf die Idee, dass wir mind einmal wöchentlich Qualitytime für jedes einzelne Kind pro Elternteil einräumen wollen. Aus diesem Grund habe ich mir den (meiner Meinung nach) abhängigeren Zwilling von beiden am Wochenende geschnappt und wollte mit ihm alleine mit dem Hund spazieren gehen. Nach wenigen Metern hatte er allerdings bemerkt, dass sein Bruder nicht mitkommt, hat daraufhin angefangen zu weinen und "Nach Hause, nach Hause" gerufen und ist tatsächlich umgedreht !!! Das kann doch nicht gesund sein? Habe ich zu viel von ihm verlangt? Bin ich gar nicht sicher für ihn als Mutter? Also kann ich ihm als Mutter gar keine Sicherheit geben? Das hat mich sehr erschrocken.  Wie ist das denn mit der Mutter-Kind-Bindung bei (eineiigen) Zwillingen? Ich möchte ja nicht, dass sie ausschließlich in einer Symbiose leben. Und nun noch eine andere Frage: Die Jungs machen mich gerade wahnsinnig.  Wenn ich zu einem Nein sage, weil er gerade Blödsinn macht, fängt der andere genau mit dem Verbotenem damit an. Beide lachen sich dann tot über mich. Und ich als Mutter stehe teilweise hilflos 2 2-jährigen Jungs gegenüber.  Ist das normal oder ist bei uns schon etwas schief gelaufen? Es ist eigentlich auch unfair, ich bin meist in der Unterzahl!!! Und ja- ich bin oft nicht in der Lage mich durchzusetzen, reagiere dann sehr emotional und wütend, während die Jungs mich auslachen. Das macht mich irre. Tipps von Einlingsmüttern wie "Mit Ruhe und Gelassenheit kommt man da weiter" machen mich noch wütender und hilfloser. Wie kann es Zwillingsmüttern gelingen, feinfühlig auf 2 Kleinkinder in der Autonomiephase zu reagieren? Müttern, denen das gelingt, haben meinen vollsten Respekt.  Und ich möchte eigentlich auch gern dazu gehören.  O, nun musste ich mein Herz ausschütten. Der Text ist lang geworden...

von Tiffi153 am 30.10.2023, 12:28



Antwort auf: 2jährige Zwillingsjungs und viele Fragen

Liebe Tiffi, zunächdt einmal entschuldige ich mich dass du erst jetzt eine Antwort bekommst. Ich war im Krankenhaus und deine Frage ist mir durchgerutscht. Puh. Da ist ganz schön was los bei euch und eigentlich könnte man das ganze hier abkürzen und dir sagen: klopf dir mal ganz liebevoll auf die Schulter. Du machst das nämlich großartig. Dieses "immer-einer-mehr-als-ich-Gefühl" haben fast alle Zwillingsmütter - ganz gleich ob ihre Kinder eineiig, zweieiig, gleich- oder gegengeschlechtlich sind. Aber auch wenn ich Pauschalaussagen eigentlich ablehne, so möchte ich dir als Mehrlingsexpertin aber eben auch als Fünfach(Jungs)-Mama sagen: eineiige Zwillings-Burschen legen häufig einfach nochmal eine Schippe drauf. Bitte zweifle nicht an deinen Mama-Kompetenzen oder an deinen Kindern! Die zwei sind jeder für sich genommen total großartig, zusammen müssen sie sich allerdings gerade sehr finden, ihre Rollen in der Familie verteilen und sich erstmals in sowas wie Autonomie und Abgrenzung üben. Wichtig ist, dass du dich immer fragst ob sie sich gerade ernsthaft schaden oder ob dich als Mama ihr Gehakel und ihr Gestreite einfach ängstigt und verunsichert. Jungs lernen durchs „Tun“. Du kannst ihnen hundertmal etwas sagen - sie werden es trotzdem ausprobieren und dann ihre ganz eigenen Schlüsse ziehen. Mit 2 Jahren haben sie noch keine großen verbalen Kommunikationsfähigkeiten. Sie verstehen vieles, können aber noch nicht argumentieren oder mit Worten „kämpfen“. Sehr wohl fühlen sie Frust, Unmut oder Wut und brauchen für diese sehr starken Gefühle eine Ausdrucksform. Natürlich dürfen sie sich nicht verletzen. Hier kurze Ansagen wie „Stopp! Alle bleiben heile!“ oder: „Stopp! Das tut weh.“ wählen. Bei kleineren Konflikten (schreien, trampeln, schubsen) einfach mal sehen, wie sich die Situation entwickelt wenn du dich nicht einmischt. Die zwei haben - auch wenn sie natürlich unterschiedliche und ganz eigene Charakter sind - exakt den gleichen Entwicklungsstand. Und es ist natürlich ganz wunderbar wenn sie als Dreikäsehoch  „machen können“ dass Mama sich aufregt, der Bruder weint oder andere spannende Dinge passieren, die sie aktiv beeinflusst haben. Bitte vergiss nie: Ein zweijähriges Kind handelt NIE gegen uns sondern immer für sich und seine Interessen. Mir hat dieses Wissen sehr geholfen. Zum Thema Bindung antworte ich dir in einem eigenen post. Liebe Grüße Alexandra von extrakind 

von Alexandra Jaeger & Team am 08.11.2023



Antwort auf: 2jährige Zwillingsjungs und viele Fragen

Hallo, da dir bislang niemand geantwortet hat, erlaube ich mir, dir zu antworten.   Meine Zwillinge sind im selben Alter wie deine und ich stelle mir die selben Fragen, habe die selben Probleme und verzweifle täglich. Könnte jeden Tag heulen. Das ist das Schicksal einer Zwillingsmutter. Und NEIN, es ist nicht das selbe, ob man Zwillinge oder 2 Kinder mit geringem Altersabstand hat. Unter Zwillingen besteht eine ganz andere Dynamik als bei anderen Einzelgeschwistern. Ich kann Ilka Poth empfehlen.  Die erklärt das ganz deutlich und es gibt viele wissenschaftliche Studien darüber. Ich merke zumindest immer, dass ich innerlich sehr wütend werde, wenn mir andere Mütter erzählen wollen, dass 2 Kinder genauso stressig seien. Es ist vielleicht auch stressig bzw mit Sicherheit. Aber anders stressig.  Eine Lösung für alle Zwillingsprobleme habe ich auch nicht. Ich bin aber Leidensgenossin. Vielleicht hilft dir das! Liebe Grüße  Sarah

von Sarahmueller am 02.11.2023, 08:40



Antwort auf: 2jährige Zwillingsjungs und viele Fragen

Hallo Sarah, Ich geb dir mal kurz einen kleinen Einblick, wie das Leben mit einem 9 Monate alten Baby und einem 25 Monate alten Kleinkind (=16 Monate Abstand) ist: die "Große" packt den Kleinen an den Schultern und reißt ihn so nach unten, dass er mit dem Kopf auf den Boden knallt. Sie drückt ihm die Fingernägel in die Augen oder quetscht ihm die Finger in der Badezimmertür oder in einer Schublade ein. Nicht nur Zwillinge sitzen gemeinsam auf der Spülmaschinenklappe, das können meine 2 auch. Der Kleine hat inzwischen von seiner Schwester gelernt, wie man Stehlampen und Wäscheständer umwirft.  Das nur mal so als kleiner Einblick. Vielleicht kannst du dadurch ein bisschen verstehen, warum Frauen ohne Zwillinge sagen, dass es genauso hart sein kann mit 2 Kindern, vor allem wenn der Altersabstand niedrig ist. Es ist nicht das Gleiche, klar. Man steht da vor ganz anderen Herausforderungen wie den abweichenden Schlafzeiten. Zwillinge haben zumindest ähnliche Schlaf- und Wachzeiten, ein Baby und ein Kleinkind lange Zeit nicht. Dem Kleinkind ist das vollkommen egal, wenn das Baby total übermüdet ist und schlafen muss, es schreit aus Spaß oder vor Wut und dann ist das mühsam zum Schlafen gebrachte Baby eben wieder wach und schreit nur noch. Ich könnte auch oft nur schreiend oder heulend aus dem Fenster springen. Und ich hab viel Kraft, und sehr viel Geduld. Auch das ist aber irgendwann aufgebraucht. Mich hat es noch nie wütend gemacht, wenn eine Zwillingsmama davon erzählt hat, wie schwierig es ist. Ich hab es selbst nicht erlebt, aber ich stelle es mir auch sehr hart vor. Am Ende ist dann aber meiner Meinung nach vieles eine Frage des Temperaments. Es gibt mit Sicherheit auch Einzelkinder, die einer Mama mehr abverlangen, als 2 pflegeleichte Kinder (egal ob Zwilling oder nah hintereinander).  Alles Gute!

von Anna198 am 02.11.2023, 22:19



Antwort auf: 2jährige Zwillingsjungs und viele Fragen

Liebe Tiffi, nun die Antwort zum Thema Bindung und Individualentwicklung. Auch hier bitte versuchen, neues Vertrauen in DICH aufzubauen. Wenn es dir wichtig ist, zwischendrin nur mit einem deiner Jungs Zeit zu verbringen (meiner Erfahrung nach ist das ein verständlicher aber rein elterlicher Wunsch) dann würde ich das eher in den Alltag einbauen. Also: Du fährst einkaufen und nimmst ein Kind mit (unsere wollten dann immer dem Zwilling etwas mitbringen) Du mistest den Hasenstall aus und lässt ein Kind helfen. Du sammelst Äpfel auf oder bringst Kleiderspenden zum Umsonstladen - einer deiner Söhne begleitet dich. Coole Sachen wie spazieren gehen, Hund ausführen, Spielplatz oder so würde ich mit zwei Jahren noch nicht alleine machen. Das irritiert sie mehr, als dass das irgendwas befriedet/fördert oder hilft. Schau außerdem mal ob es bei dir in der Nähe psychomotorisches Turnen für Kleinkinder gibt. Dort können die zwei Racker auf neutralem Boden Grenzen ausloten, Selbstwirksamkeit erfahren und sich auspowern. jeder für sich und beide zusammen. Bitte führe dir vor Augen, dass die Wissenschaft herausgefunden hat, dass eineiige Zwillinge sich selbst deutlich später auf Fotos erkennen als einzeln geborene Kinder. Sehr wohl erkennen sie aber das Geschwisterchen! Was ich dir damit sagen will: Du kannst deine Kinder in dem Alter jetzt nicht "künstlich" dazu befähigen sich vom Bruder abzugrenzen. Das kommt von ganz alleine wenn es sich für beide gut anfühlt. Glaub mir. Mit den Grundlagen die ihr als Eltern mitgebt werden sie ihr "Ich" in all dem "wir" finden. Ausdrücklich abraten möchte ich davon, Unterschiede zu betonen. Also "A kann schon so toll Laufrad fahren" "B ist so musikbegeistert" ... Winfach wahrnehmen und entsprechend individuelle Angebote machen. Beispiel: Vincent liebt Handarbeiten (weben, Filzen, Stricklieseln, schneiden, kleben, malen) und ist ein super Fußballspieler. Hannes kann blitzschnell puzzeln, erste Worte schreiben, Lego bauen und singen.Handarbeiten (obwohl er darin sogar geschickter ist) frustrieren ihn extrem schnell und er verliert die Lust. Im Fußball ist er seinem Bruder deutlich unterlegen. Ich möchte ihn deshalb jetzt eigentlich zum Trampolin anmelden und zum Schlagzeug. Will er aber nicht. Will mit Vincent kicken. Ich beobachte still und lass sie machen. Er wird selbst herausfinden was ihm Freude macht. Vertraue deinem Herzen. Und Tausch dich mit anderen Mehrlingsmamas aus! Kennst du schon unseren Mitgliederbereich extrakindPlus? Da ist jeden Donnerstag Stammtisch, dienstags Elternsprechstunde zum Thema Erziehung und dann sogar noch Systematische Beratung und Mindset-Training im Wechsel. Alles nur von für und mit anderen Mehrlingseltern. Würde mich freuen dich dort zu sehen. Alles Liebe! Alexandra 

von Alexandra Jaeger & Team am 08.11.2023