Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Familienessen / Beikost

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Familienessen / Beikost

Steffi2586

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Guten Morgen Frau Neumann, Meine kleine ist jetzt ein Jahr alt und isst leider noch nicht vom Familientisch mit und akzeptiert auch keinen stückigen Brei. Sie hat bei stückigen essen auch öfters gewürgt und hat es wieder mit der Zunge aus dem Mund geschoben. Sie isst mal 2 - 3 Nudeln und probiert zumindest einiges, aber sie isst keine Portion wie es eigentlich sein soll. Bei der letzten U-Untersuchung habe ich dies unserem Kinderarzt erzählt, welcher uns mitteilte, dass das Kind eine Essstörung hätte, da es in diesem Alter nicht normal ist, dass sie keine stückige Kost akzeptiert. Das war für uns natürlich ein Schock, weil das Wort Essstörung ja schon eine gewaltige Aussage ist. Ich habe ihm dazu gesagt, dass meine kleine schon immer mega Probleme mit den Zähnen hat, da sie sich da richtig schwer tut und sie einen Zahn nach dem anderen bekommt. Momentan bekommt sie 3 Backenzähne, weshalb ich verstehen kann, dass sie nicht viel feste Kost möchte, da es ihr ja vielleicht weh tut. Vielleicht ist sie ja einfach auch noch nicht so weit. Jedenfalls mache ich mir jetzt große Sorgen wegen der Aussage von dem Kinderarzt, dass sie eine Essstörung hätte. Ich kann sie ja nicht zum Essen zwingen


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Steffi2586 Im Rahmen meiner Arbeit hier im Forum Kochen für Babys und Kinder kann ich dir bei deiner Frage leider nur sehr begrenzt und auch nur sehr allgemein gehalten antworten. Ich habe aber zunächst noch eine Rückfrage an dich: Welche Milch und wie viel Milch trinkt deine Tochter derzeit? Bis gleich Grüße Birgit Neumann


Steffi2586

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Sie wird noch 2 mal am Tag gestillt


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Steffi2586 okay, danke für deine Rückmeldung. Die Aussage deines Kinderarztes hat dich sehr verunsichert. Das ist verständlich. Gibt es denn Gründe, welche abgesehen von dem Nichtmögen der Familienkost, diese These stützen? Hat dein Kind irgendwelche Vorerkrankungen? Auffälligkeiten? Wenn es Gründe gibt, bspw auffällige Gewichtsabnahme, Untergewicht, Gedeihstörungen, motorische Auffälligkeiten, dann solltest du eimal genauer hinsehen (lassen). Trifft etwas zu? Ich fasse deine Aussagen von oben einmal kurz zusammen: deine Tochter, gerade 1 Jahr alt geworden, stillt etwa zwei Mal am Tag. Sie isst noch nicht am Familientisch in der Art und Menge mit, wie du oder der Kinderarzt das als richtig empfinden würden. Sie isst - jedoch eher wenig von den Angeboten vom Familientisch, und immerhin probiert sie verschiedene Speisen durchaus. Isst auch mal 2-3 Nudeln. Sie mag keinen groben, oder mit Stückchen angereicherten Brei. Und momentan kommen Zähne, was für deine Tochter möglicherweise ein schmerzvolleres Erlebnis darstellt. All das für sich genommen, kann für dieses Alter noch als durchaus völlig normal gesehen werden, sofern (d)ein Kind rundum gesund und ansonsten altersentsprechend entwickelt ist, gut gedeiht, wächst, an Gewicht zunimmt, meistens fröhlich ist und isst und trinkt. Bei der letzten U wurden all diese Parameter gecheckt. Gab es denn irgendwelche Auffälligkeiten? Wenn ja, lohnt ggf ein differenzierter Blick darauf, doch dazu später. Wenn die U, abgesehen von der erschreckenden Aussage, ansonsten eigentlich unauffällig verlief, dann wäre das auf jeden Fall schon sehr aufbauend, oder? Weißt du, jedes Baby entwickelt sich in seiner ganz individuellen Weise und Zeit, so dass man als Eltern den Übergang zur Familienkost am besten meistert, wenn man auf das eigene Baby/Kind schaut und es bedürfnisorientiert in diesem ureigenen Prozess begleitet. Die Entwicklungsphase um den 10. Lm herum ist gekennzeichnet dadurch, dass Babys einen großen Entwicklungs-und Wachstumsschub machen. Auch im motorischen und kognitiven Bereich sind normalerweise große Fortschritte bemerkbar. Der Zeitpunkt ab dem 10. Lm ist darum allgemein betrachtet, als eine grobe Zeitphase zu sehen, ab welcher viele Babys in der Lage sind, aufgrund ihrer Entwicklung, dass sie Familienkost (mit)essen könnten. Es ist allerdings nicht so, dass die Familienkost ab dem 10. Lm eingeführt werden muss, sondern vielmehr eingeführt werden kann, wenn das Baby so weit ist. Das zu wissen ist für viele Eltern sehr hilfreich. Babys zeigen dass sie soweit sind, weil sie ihre Essgewohnheiten ändern. Manche Babys möchten plötzlich gar keinen Brei mehr essen. Manche wollen nicht mehr gefüttert werden, manche essen plötzlich sehr viel weniger als gewohnt. Manche Babys/Kinder darf oder muss man ggf etwas mehr fordern und ermutigen - handle also ruhigen Gewissens bedürfnisorientiert und eben individuell. Als Eltern hat man oft die Vorstellung, dass die Beikost und der Übergang zur Familienkost planbar sei und Schritt für Schritt abläuft. Doch in den meisten Famliien passiert das doch in eher einer scheinbar chaotischeren Weise ohne logischen Aufbau. Und das ist völlig in Ordnung. Das Essen lernen kannst du ein bisschen mit dem Besuch eines Spielplatzes vergleichen.Du würdest dein Kind vermutlich noch nicht oben auf ein Klettergerüst setzen und warten bis es wieder runter kommt. Du würdest dei Kind aber bestimmt darin unterstützen nach oben zu klettern, wenn es dir zeigt, dass es hochklettern möchte. Genau. Auch beim Essen lernen, beim Übergang zur Familienkost, dürfen, gar sollten Übergänge rücksichtsvoll verlaufen. Auch am Esstisch kannst du dein Baby begleiten und altersentsprechend, dem Entwicklungsstand entsprechend, den motorischen Fähigkeiten entsprechend fordern, fördern ohne zu überfordern. Beobachte dein Baby und reagiere angemessen auf den Ist-Zustand. Was kann dein Baby und was kann es noch nicht? Wo kannst du vielleicht etwas mehr fördern oder fordern und wann ist es besser zu stoppen und abzuwarten... Damit ein Baby/Kind essen kann muss es hungrig sein. Wenn es hungrig ist, dann isst es oder würde wahrscheinlich gestillt werden wollen, würde dies vermutlich einfordern. Auf jeden Fall kannst du einmal die Begleitumstände bei euren Mahlzeiten überprüfen und vielleicht kannst du hierbei etwas verbessern. Bräuchtest du dafür noch ein paar Infos? Schau doch mal, ob deine Tochter während den Mahlzeiten wirklich gut und sicher sitzt. Schau, dass ihre Füße auf einer Unterlage Halt finden und sie dadurch sicher und schaukelfrei sitzt, sie dadurch ihren beiden Hände frei bewegen kann, ohne hin und her zu wippen. Lege vor sie , gut sicht- und greifbar, verschiedene weiche Stückchen hin. Vermeide es, deiner Tochter die Stückchen in den Mund zu geben und lass sie alle Speisen selbständig greifen und befühlen. So kann sie die Stückchen selbständig an und in den Mund führen, um diese vielleicht zu essen. Mit der festen Kost erlebt deine Tochter nicht nur Geschmack, sondern auch Konsistenz. Und auch an diese muss sie sich erst herantasten und gewöhnen. Du darfst deine Tochter mit ihrem Entwicklungsstand angepassten Familienkostspeisen bekannt machen und sie dabei unterstützen Neues kennen - und mögen zu lernen. Zwanglos, spielerisch. Damit deine Tochter Lust zum mitessen hat, muss sie natürlich soweit hungrig sein, dass sie überhaupt Interesse am Essen hat und dabei sogar Neues entdecken kann. Es ist also ein bisschen eine Gratwanderung. 2-3 Nudeln sind da schon ein prima Anfang! Schau dir dazu auch mal die Links an: https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Essen-im-14-Lebensmonat_48869.htm https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Keinen-stueckigen-Brei_49990.htm (unbedingt bis zum Schluss lesen) https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Wann-stillen_48445.htm https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Essen-im-14-Lebensmonat_48857.htm Was genau bei euch nun das Problem sein könnte, wo das Problem liegen könnte und ob es sich überhaupt um ein Problem handelt, das wäre sicherlich ein nächster Schritt für dich, dies versuchen herauszufinden. Möglicherweise sind die Erwartungen einfach nur zu hoch? Ich weiß es nicht. Ich habe versucht, dir den Schrecken zu nehmen und eine evtl realistische Vorstelltung über die durchaus individuell verschiedenen Entwicklungsunterschiede aufzeigen. Familienkost darf langsam angegangen werden, wobei das Tempo deines Kindes dabei die wichtigste Rolle spielt. Dein Kind ist gerade erst ein Jahr alt geworden. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich noch einiges tun. Das Thema ist sehr komplex und im Rahmen meiner Arbeit hier im Forum kann ich dir wirklich nur ganz allgemeine Informationen zur Familienkost für gesunde Kinder weitergeben. Ich konnte dir vielleicht ein paar Denkimpulse geben. Verwerte von meiner Antwort das, was dir nützlich ist und für euch passen könnte. Viele Grüße Birgit Neumann P.S. Kinder haben ein sensibles Geschmacksempfinden. Entscheidend ob etwas gefällt oder ob es nicht schmeckt, ist das Mundgefühl. Während beim Breiessen das Mundgefühl meist gleich ist - breiig - ist Familienkost verschieden. Hier muss gekaut werden. Mal ist das Essen zäher, mal weicher, mal kalt, mal warm. Ein sehr schreckliches Mundgefühl kann sogar Würgereiz auslösen. Es ist nicht immer der Geschmack, der als unangenehm empfunden wird, sondern das Gefühl, das die Konsistenz im Mund erzeugt. Das Essen im Mund muss so zermalmt und bearbeitet werden, dass es problemfrei geschluckt werden kann. Wenn da die Zähne gerade wachsen und schmerzen, macht das natürlich keinen Spaß.


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