Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Fertigprodukte

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

zur Vita

Frage: Fertigprodukte

Leons_Mama

Beitrag melden

Hallo Birgit, ich habe eine Frage: Sind Fertigprodukte in Ausnahmefällen okay? Normalerweise koche ich für meinen Sohn (14 Monate) selbst und frisch. Aber manchmal, wenn die Zeit knapp ist, kommt für meinen Mann und mich eben auch mal ein Fix-Produkt auf den Tisch. Und wenn ich ehrlich bin, die Bolognesesoße aus der Tüte schmeckt uns einfach besser als die selbstgemachte ;-) Wie gesagt, wir essen Fix-Produkte nur selten, aber wäre es in so einem Fall okay, wenn unser Kleiner mitessen würde? Bislang hab ich mich nicht getraut, ihm das zu füttern. Aber sind die Fix-Produkte denn wirklich so verwerflich? Es steht doch mittlerweile immer öfter "ohne Geschmacksverstärker" drauf, was ist dann noch so schlimm? Danke für Deine Antwort!


Birgit Neumann

Birgit Neumann

Beitrag melden

Hallo Leons_Mama Fertiggerichte und Würzmischungen zählen in unseren Haushalten zum Standardsortiment im Küchenschrank. Sie sind kaum noch wegzudenken, in mancher Kücher gar unentbehrlich. Auch die Naturkostbranche holt da ziemlich auf. Würzmischungen in Tüten, die fix leckere Gerichte aus nur wenigen weiteren Zutaten zaubern, sind meist lecker und beliebt. In der Regel sorgt vor allem ein Stoff, namentlich "Geschmacksverstärker oder Hefextrakt" dafür, dass das gekochte Gericht allen mundet. Fixprodukte sind unbestritten sehr praktisch, liefern Ideen und treffen meistens den Geschmack aller Mitesser. Vor allem deshalb sind sie sehr beliebt, besonders bei Kindern. Das ist auch nicht schlimm, solange die Kinder nicht nur solche Dinge zum essen bekommen. Denn sonst stumpft der Geschmack ab und einfache Speisen werden verschmäht. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Babies und Kleinkinder haben ein sehr sensibles Geschmacksempfinden. Sie sollten Lebensmittel am besten erst pur kennenlernen. Sonst kann es passieren, dass es künftig die scheinbar weniger stark schmeckenden Gerichte nicht mehr essen mag. Ab und zu ein solches Gericht zu servieren , das kannst du machen. Viel mehr Zeit, ein ebenbürtiges schmackhaftes Gericht weiterhin selbst mit frischen Zutaten und Gewürzen zu kochen, benötigst du dennoch nicht. Meist ist es die Idee und der diktierte Einkaufszettel, der ein Fix-Gericht schneller auf den Tisch bringt. Mit der nötigen Routine und den wichtigsten Zutaten im Haus, kannst du auf derlei Küchenhilfen verzichten. Mit Gemüsebrühe kannst du neben Salz, Pfeffer und Zucker auch wunderbar würzen. Würzmischungen für die schnelle Küche enthalten weitaus mehr "trockene" Zutaten bspw Milchpulver und Molkeneiweißerzeugnisse etc... Versuche doch mal ohne die Hilfen auszukommen und verwende echte Lebensmittel. In der Tüte ist Milcheiweiß, Molkeneiweißpulver, Trockengemüse, Aroma... Sahne, geröstete Zwiebel, echte Gewürze und Kräuter bringen viel mehr echten Genuss und Zufriedenheit. Mit den gesamten Esseindrücken (Geschmack, Hungerzustand, Atmosphäre bei Tisch, Verdaulichkeit etc) werden Informationen gespeichert, die später unbewusst darüber entscheiden ob etwas gemocht wird oder nicht. Atmosphäre bei Tisch, Behaglichkeit bei Tisch, geliebte Personen bei Tisch, Freude am Tisch etc... Instant-Gemüsebrühe enthält viele verschiedene Zutaten wie Gemüse und Gewürze und Würzextrakte etc. In der Regel sorgt vor allem ein Stoff, namentlich "Geschmacksverstärker" dafür, dass diese Instantbrühen beliebt sind. Da aber diese Zutat (Mononatrium-) Glutamat immer häufiger kritisiert wurde, kommt nun vermehrt die Zutat "Hefeextrakt" in die Tüte. Die Wirkung hiervon wurde noch nicht so klar erforscht, gilt als harmloser. Wobei exakte Formulierungen und Daten/Fakten noch ausstehen. Manche Experten sehen in ihr kaum Vorteile gegenüber dem anderen Stoff. Hefeextrakt enthält natürlicherweise viel Glutaminsäure und hat geschmacklich ähnliche Effekte (geschmacksverstärkend) wie der Zusatzstoff Glutamat. Geschmacksverstärker bzw Glutamat oder Hefeextrakt sorgen dafür, dass der Salzgehalt einer Speise reduziert werden kann: Denn bei Verwendung von Geschm. muss weniger Speisesalz zugesetzt werden, damit kann aber trotzdem ein ausgeprägter und intensiver Geschmack entstehen, Um gänzlich darauf zu verzichten, hat eine namhafte Firma eine Gemüsebrühe auf den Markt gebracht, die als Ersatz dafür Steinpilzpulver enthält. Und dieses enthält in großer Menge Ribonukleotide und Glutaminsäure, die natürlicherweise den Effekt haben. Glutaminsäure ist in vielen LM in unterschiedlicher Konzentration enthalten. Manche haben mehr und andere weniger. Hefeextrakt ist bspw reicher damit bestückt als reine Hefe und Tomatenmark hat mehr als Tomaten. Sojasosse mehr als die Sojabohne. Somit ergeben sich die unterschiedlichen Würzmethoden, die Suppen attraktiver gestalten. Deshalb ist auch Hühnerbrühe so beliebt, weil sie natürlicherweise voll mit dem Stoff vollgepackt ist. Essen muss primär erst mal lecker sein, damit wir es genussvoll essen. So wird das Geschmackszentrum "umami" (=übersetzt heisst das so viel wie: einfach lecker) gereizt. Das veranlasst uns zum weiteressen. Besonders stimuliert wird dieses Geschmackswahrnehmungsareal, wenn Gerichte mit Geschmacksverstärker (z.B. Mononatriumglutamat) oder Hefeextrakt den Gaumen kitzeln. Da es zum schnellen und unkontrollierbaren Weiteressen (hat direkte Auswirkungen auf das Sättigungsgefühl) animiert, sei es deshalb besonders für solche Personen schlechter zu bewerten, die eine Tendenz zu Übergewicht haben. Grüße B.Neumann


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.