Viola1984
Liebe Frau Henkes, meine Tochter ist sechs Jahre alt und ist dieses Jahr zur Schule gekommen. Die Cousine meiner Tochter ist ihre beste Freundin, die beiden sind nur wenige Tage auseinander und wachsen wie Schwestern auf. Sie waren gemeinsam im Kindergarten und gehen seit zwei Wochen in die Schule, in die gleiche Klasse. Beide haben noch einen Bruder, meine Nichte einen älteren, meine Tochter einen jüngeren. Bereits im Kindergarten haben sich meine Nichte und meine Tochter mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft angefreundet, die mir ehrlich gesagt ein Dorn im Auge ist. Sie hat bereits im Kindergarten häufiger die Mädchen „erpresst“ mit Aussagen wie: „ Wenn du nicht mit mir spielst, bist du nicht mehr meine Freundin.“ Beim Spielen zu dritt, schließt sie gerne ein Kind (meistens meine Nichte) aus. Die Eltern des Kindes gewähren dem Kind totale Narrenfreiheit. Sie greifen nicht regulierend ein und forcieren/verursachen die meiner Meinung nach inzwischen toxischen Verhaltensweisen des Kindes. Ich versuche einige Beispiele zu geben: Morgens auf dem gemeinsamen Schulweg (das Mädchen geht in eine andere Klasse als meine Tochter) sagt dieses Mädchen beispielsweise zu meiner Tochter: „Binde mir die Schuhe zu, du bist meine Dienerin.“ Die Mutter sagt nichts. Ich habe dann hinterher mit meiner Tochter darüber gesprochen. Ich versuche sie dann zu stärken und ihr klarzumachen, dass sie Grenzen ziehen darf, wenn sie sich nicht wohlfühlt (sie hat mir gesagt, dass sie das nicht gut fand von ihrer Freundin). Am liebsten hätte ich schon in dem Moment etwas zu dem Mädchen gesagt. Auch zu mir verhält sie sich übergriffig. Wenn ich meine Tochter vom Spielen abhole, werde ich gefragt, ob meine Tochter nicht noch zum Abendbrot bleiben darf, wenn ich Nein sage, geht’s weiter mit Warum nicht etc. Das kann sich zu einer regelrechten Ausfragerei entwickeln. So auch, wenn sie nach Spielverabredungen fragt und meine Tochter keine Zeit hat („Warum nicht?, Was macht sie?, Kann ich mitkommen?“). Die Mutter steht daneben und sagt nichts. Ich fühle mich richtig in einer Rechtfertigungsrolle und fühle mich gegenüber diesem Kind machtlos, vor allem, weil die Mutter ja auch nicht eingreift, ich dem Kind aber am liebsten (nur wie?) sagen möchte, dass mir die Fragerei zu weit geht. Diese Woche gab es wohl einen „Vorfall“ auf dem Schulhof, wo dieses Mädchen meine Nicht einer Sache beschuldigt hat. Hinterher stellte sich heraus, dass es komplett anders war, aber es wurde auch seitens der Mutter natürlich dem eigenen Kind geglaubt, ohne weitere Fragen zu stellen. Das Mädchen erzählt häufiger Geschichten, die nicht stimmen (ich bekomme ein Geschwisterchen – sie ist Einzelkind-, einen Hund etc., was sich dann als unwahr herausstellt). Sie erzählt ihrer Mutter auch öfter, dass sie Bauchweh habe, damit sie zu Hause bleiben und fernsehen kann. Neulich hat meine Tochter die Schuhe des anderen Mädchens beim Spielen aus Versehen mit Sand beschmutzt. Daraufhin wollte sie dann die Schuhe meiner Tochter auch schmutzig machen. Meine Tochter und meine Nichte gehen 1x die Woche gemeinsam zum Sport. Nun hat sich das dritte Kind quasi mit reingedrängelt. Meine Tochter und meine Nichte dürfen nach dem Sport immer beim Bäcker nebenan etwas zu essen kaufen und dann gemeinsam alleine nach Hause gehen. Darauf freuen sie sich die ganze Woche. Das klappt gut und meine Schwester und ich können uns auf die beiden verlassen. Mit dem 3. Kind gestaltet es sich anders. Sie bringt eine totale Unruhe rein, sie bummeln dann, nehmen andere Wege. Seitdem erlauben wir nicht mehr, dass sie alleine gehen. Ich bin zunehmend genervt, ich weiß, dass ich dem Kind nicht verbieten kann, den gleichen Sportkurs zu besuchen, aber es gehen dadurch eben schöne Rituale, auf die sich die Kinder freuen, kaputt. Die Mutter hat bereits geäußert, dass ihre Tochter Angst hat, durch die Schule ihre Freundinnen zu verlieren, mit denen sie ja nun nicht in eine Klasse geht. Dies sind einige Beispiele, die zeigen sollen, in welche Richtung es geht. Das Kind bekommt zu Hause alles und vor allem keinerlei Grenzen aufgezeigt, im Gegenteil, es wird alles gemacht/gekauft, was das Kind möchte. Meine Schwester und ich fragen uns, wie wir damit umgehen sollen. Einerseits muss meine Tochter natürlich ihre Erfahrungen auch alleine machen und auch lernen mit Enttäuschungen/solchen Menschen umzugehen, auf der anderen Seite ist sie eben auch erst 6 Jahre alt. Ich würde am liebsten den Kontakt zu dem Kind unterbinden, aber denke, damit werde ich nicht viel erreichen. Meine Tochter würde es nicht verstehen, weil sie natürlich das Verhalten des Kindes nicht so einordnen kann wie wir es als Erwachsene tun. Ich sehe einfach den schlechten Einfluss, den dieses Kind ausübt. Mit den anderen Eltern der Freunde meiner Tochter und meiner Nichte stehen meine Schwester und ich im Austausch, wir sehen unsere Kinder auch durchaus mal kritisch und greifen auch regulierend ein, wenn wir den Eindruck haben, die Kinder kommen an gewissen Punkten nicht weiter bzw. ein Kind wird vielleicht wirklich mal ausgeschlossen etc. Aber hier sehe ich das Problem eben vor allem bei den Eltern, die ihr Kind vergöttern und ihm völlig freie Hand lassen. Vielleicht haben Sie einen Tipp für mich, wie wir uns freundlich, aber bestimmt abgrenzen können und wie wir unsere Töchter stärken können, ohne das andere Kind „schlecht“ zu reden. Vielen Dank für Ihre Arbeit und herzliche Grüße Luise Broseck
Guten Tag, Sie schätzen das richtig ein. Sie können weder die Eltern des Kindes noch das Kind verändern. Sie können Ihre Tochter aber dabei unterstützen, sich angemessener abzugrenzen und versuchen, sich selbst weniger über das Kind und dessen Eltern zu ärgern. Es ist sinnvoll, dass Sie Ihrer Tochter den Kontakt zu dem Mädchen nicht verbieten. Das würde nur für mehr Attraktivität sorgen. Für Ihre Tochter ist es zudem wichtig, dass Sie das Mädchen nicht schlechtmachen. Sie können aber sehr wohl einzelne Handlungen als negativ bezeichnen. Das gelingt oft gut über Fragen. "So doofe Sachen sagt die?" "Hast du wirklich Lust mit einem Mädchen zu spielen, das dich wie eine Dienerin behandelt?" "Ich hätte ja keine Lust mit einem Kind zu spielen, das mich erpresst, damit ich mit ihm spiele." "Ich verstehe gar nicht, warum mit XX spielst, wo sie doch so oft gemein zu dir ist." Ihre Tochter und ihre Nichte können über die Probleme mit dem Heimweg vom Sportkurs lernen, altersgerecht Verantwortung für sich zu übernehmen. Wenn sie sich ihr Ritual mit dem Bäcker erhalten wollen, dürfen sie sich von dem anderen Kind nicht ablenken lassen. Sonst müssen sie eben wieder abgeholt werden. Versuchen Sie, im direkten Kontakt mit dem Mädchen gelassen zu bleiben. Sie müssen sich auf solche Fragespiele nicht einlassen. Wenn Sie äußern, dass Ihre Tochter nach Hause muss, müssen Sie das dem Kind gegenüber nicht begründen. Wenn Sie das entspannt und freundlich formulieren, spürt das Mädchen irgendwann, dass Sie hier eine Grenze setzen. "Du, das ist einfach so." Sie können auch einfach schmunzeln und sagen: "Ach, du denkst, ich muss dir das erklären. Das ist ja ne lustige Idee von dir. Bei uns läuft das aber so nicht." Ihre Tochter wird merken, wenn Sie einen souveränen Umgang mit dem Mädchen finden. Daran kann sie sich dann für ihr eigenes Handeln orientieren. Das wird ihr helfen, das Mädchen und sein Verhalten realistischer einzuschätzen und sich leichter abzugrenzen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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