Ein Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung

Dipl.-Psych. Sally Schulze Frage an Dipl.-Psych. Sally Schulze Psychologische Psychotherapeutin

Frage: Ein Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung

Hallo, seit circa einem Jahr klappt es leider nicht schwanger zu werden. Wir sind inzwischen an der Kiwu Klinik für ein Zyklus Monitoring. Jedes Mal um die Eisprungzeit herum fühle ich mich gestresst, dass der GV täglich stattfindet. Erotik oder Lust sind da nebensächlich geworden. Ich wollte nie eines von den Paaren werden, sie so verbissen auf eine Schwangerschaft sind. Aber wir wünschen uns einfach beide sehr fest ein Kind. Jedes Mal bilde ich mir SS Symptome ein und heule am Ende, wenn meine Periode kommt. Nun fiel das Spermiogram meines Mannes auch unerwartet schlecht aus. Es kommt mir immer schwerer und unwahrscheinlicher vor, dass es iwann klappt. Noch dazu wird gefühlt der halbe Freundeskreis gerade schwanger und ich kann mich nicht mehr für sie freuen, weil ich so neidisch bin. Gleichzeitig weiß niemand von unserem Prozedere an der Kiwu Klinik, weil wir das nicht an die große Glocke hängen. Ich kann ja nicht herum erzählen, dass es vermutlich am Spermiogram meines Mannes liegt, das wäre für ihn wahrscheinlich sehr sehr unangenehm. Wir sehen uns als Team, aber dennoch ist es schwer.

von Tina091993 am 17.04.2024, 10:47



Antwort auf: Ein Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung

Liebe Tina091993,  vielen Dank für Deine Nachricht und Dein Vertrauen. Ich verstehe, dass die Kinderwunschzeit belastend sein kann und dass viele Faktoren einen Einfluss auf Dich und Deinen Mann haben. Es ist völlig normal, dass Du Dir viele Gedanken machst und dass Dich manche Teile der Kinderwunschzeit stressen. Ich versuche jetzt auf Deine angesprochenen Themen einzugehen. Du schreibst, dass Dich der Sex am fruchtbaren Tagen stresst und dass Erotik und Lust kaum mehr betrachtet werden. Der Sex am fruchtbaren Tagen heißt auch „Verkehr zum Optimum“. Es ist genau so wie es klingt, medizinisch und es reduziert den Sex nur auf den Zweck der Befruchtung der Eizelle. Dieser Sex nach Plan kann stressig werden. Bei vielen Paaren lässt die Leidenschaft nach. Um entgegenzuwirken gebe ich Dir zwei Tipps. Im Bezug auf das Sexleben ist die Kommunikation zwischen Dir und Deinem Mann ganz wichtig. Wertschätzung und Vertrauen sind nötig, damit auf die Wünsche und Gefühle von einander eingegangen werden kann. Schließlich beruht Sex auf Gegenseitigkeit und kann Glücksgefühle auslösen, wenn Ihr Euch beide gut dabei fühlen. Und dann kann es auch wieder mehr Spaß machen im Bett. Ein weiterer Tipp von mir ist es eine gefühlsmäßige Trennung von Sex an fruchtbaren und Sex an unfruchtbaren Tagen zu machen. Beispielsweise an unfruchtbaren Tagen anders Sex zu haben als an fruchtbaren. Also mit mehr Fokus auf Berührung, Entspannung, Erregung und zum Beispiel Oralsex, wenn ihr das mögt. Das kann helfen, den Gedanken “ich will jetzt ein Kind zeugen” loszulassen. Das könnte helfen, die Anspannung beim Sex zu vergessen und Erotik und Lust wieder zu genießen.   Du schreibst auch, dass Du Neid auf Dein Freundeskreis empfindest. Viele Menschen empfinden in ihrer Kinderwunschzeit Neid. Einige Frauen werden schneller schwanger und bei anderen dauert es länger oder klappt teilweise auch gar nicht. Es ist erstmal sehr wichtig das Gefühl Neid sich anzuschauen und es zu verstehen. Neid drückt im Prinzip nur aus, dass jemand etwas hat, dass Du auch gerne hättest. Neid heißt nicht zwangsläufig, dass Du dieser Person die Sache, in deinem Fall die Schwangerschaft, nicht gönnst. Es drückt nur aus, wie wichtig Dein Wünsch ist. Ich weiß, dass Neid ein sehr unangenehmes Gefühl sein kann. Anstatt diese Gefühle wegzudrücken ist der erste Schritt anzuerkennen, dass du neidisch bist und, dass das völlig ok und verständlich ist. Der nächste Schritt ist herauszufinden, was Dir im Moment gut tut. Vielleicht bedeutet das auch, dass Du weniger Zeit mit Deinem Freundeskreis verbinden möchtest. Das wäre auch völlig okay. Wenn Du nicht über deinen Kinderwunsch reden möchtest, versuche so in die Richtung zu sagen: “Im Moment ist das schwierig für mich, aber ich möchte nicht drüber reden. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, und ich habe Hilfe."  Ich hoffe, dass ich Dir weiterhelfen konnte. Schreibe gerne wieder, wenn Du weitere Fragen hast.  Viele Grüße, Sally

von Dipl.-Psych. Sally Schulze am 22.04.2024