Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Eingewöhnung bei der Oma bei Trennungsangst

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Eingewöhnung bei der Oma bei Trennungsangst

Maria00

Hallo Dr. Nohr, meine Tochter (12 Monate) war als kleines Baby sehr anhänglich und wollte viel getragen werden. Mit ca. 6 Monaten hat es mit Trennungsangst bei ihr angefangen. Wenn ich das Haus verlasse, wird seitdem (selbst beim Papa!) sofort oder nach 10-20 Minuten gebrüllt und sie lässt sich nicht mehr beruhigen bis ich wieder da bin. Ich habe gedacht, dass sich das mit der Zeit gibt und sie viel Sicherheit braucht und ihr diese auch gegeben. Inzwischen hängt meine Tochter daheim oder in Krabbelgruppen gar nicht mehr stark an mir. Die Situation wenn ich das Haus verlasse ist aber geblieben. Jetzt muss ich bald wieder arbeiten und sie soll vormittags von ihrer Oma betreut werden. Die Oma hat sie bisher mindestens einmal die Woche gesehen. Ich habe nun die letzten drei Wochen versucht so oft wie möglich (ca. 4x die Woche) ein paar Stunden da zu sein, und es mit einer sanften Ablösung versucht. Leider mit sehr gemischten Ergebnissen: meistens gibt es sofort Geschrei und sie beruhigt sich auch nach 15 Minuten nicht. Nur einmal vor zwei Wochen war sie super drauf und hat 15 Minuten gespielt (ich verabschiede mich immer mit den gleichen Worten, also wusste sie schon, dass ich gegangen war). Haben Sie einen Tipp für mich wie ich es schaffe, dass meine Tochter die Oma als Bezugsperson annimmt? Mir macht es große Sorge, dass sie sich von niemandem beruhigen lässt wenn sie einmal angefangen hat zu schreien.


Hallo, aus dem Verhalten lässt sich schliessen, dass es noch keine ausreichende Sicherheit bei Trennung gibt. Wie Sie schreiben, hat sich die Anhänglichkeit zu Hause schon gelegt, es bewegt sich also was. Aber Trennung, nicht mehr da sein, "nie mehr da sein", geht eben noch nicht. Das ist nicht Fremdeln, sondern noch nicht ausreichende "Objektkonstanz" (also die Sicherheit, dass die vertraute Person noch existiert, auch wenn sie nicht zu sehen ist). Das dauert seine Zeit. Wenn Ihre Berufstätigkeit nicht aufzuschieben ist, müssen Sie versuchen, die Oma so vertraut wie möglich zu machen. Wenn es geht, sollte sie vormittags zu Ihrem Alltag gehören, um selbstverständlich zu werden. Das kann ermöglichen, dass die Oma ausreichend vertraut ist, um Ihre Abwesenheit zu überstehen. Geht auch das nicht, sollte die Oma so oft wie möglich kommen, aus dem gleichen Grund. Je vertrauter, desto eher besteht die Chance auf ausreichende Verlässlichkeit. Ich hoffe es klappt. Dr.Ludger Nohr


cube

wenn diese bei euch zu Besuch war/ihr bei Oma wart? Also, ob sie von sich aus den Kontakt zur Oma gesucht hat, es für sie ok war, wenn du mal den Raum (nicht das Haus/Wohnung) verlassen hast? Ich frage deshalb, weil - unabhängig von Entwicklungsphasen - können Kinder auch zu Personen, die sie kennen und die ihnen sehr zugetan sind, nicht den richtigen Draht finden. Das geht uns als Erwachsenen ja auch so. Und so haben Kinder im KiGa ja auch ihre Bezugserzieherin, zu der sie einen besseren Draht haben, als zu den übrigen - ohne, das diese übrigen Erzieherinnen ihnen "etwas getan hätten". Daher meine Frage, ob sie der Oma grundsätzlich - von sich aus - überhaupt so zugetan ist.


Maria00

Danke für deine Gedanken, ich bin mir aber sicher, dass das nicht das Problem ist: Zum einen lässt sie sich gerne von der Oma bespaßen, streckt öfters mal die Arme nach ihr aus und kuschelt sich sogar an sie. Zum anderen zeigt meine Tochter diese Trennungsangst egal wer sie betreut- also auch wenn der Papa oder die andere Oma da ist. Es wird neben mir einfach niemand anderes akzeptiert.


cube

Also, ich bin nicht Dr. Nohr und daher nur meine persönliche Erfahrung als Mutter. Unser Kind war mit 12 Monaten einfach noch nicht bereit für eine Fremdbetreuung. Zwischen ca. 9 Monaten und 12 bis zu 1,5 Jahren gibt es ja nun auch die Fremdel-Phase. Bei uns war es einfach so: Kind war nicht bereit für Fremdbetreuung und wir mussten die Eingewöhnung bei einer TaMU (und es waren sogar ihm bereits bekannte Kinder dabei) abbrechen. Für uns war es ok und wir konnten es finanziell durch Rücklagen stemmen. Da du schreibst, es ist bei allen so und es gibt auch keine Resentiments gegen die Oma, würde ich zuerst mal auf die Fremdel-Phase tippen. Leider läuft da mit "Zwang" auch gar nichts. Bzw. "Zwang" funktioniert natürlich irgendwann immer, ist ja aber nicht das, was man möchte. Wir hatten wie gesagt die Möglichkeit, einfach abzuwarten. Wie man nun aber am besten vorgeht, wenn es diese Option nicht gibt ... ich denke, da kann Dr. Norh am besten etwas zu sagen. Ich persönlich würde raten, die Oma zu euch kommen zu lassen. Gewohnte Umgebung. Und dann eben mal anzufangen mit "Mama geht mal kurz zum Bäcker" - so dass du eben nach 5 Min. wieder zurück bist und dein Kind merkt "ja, Mama kommt wirklich wieder". Und das dann eben ausweiten. Am Besten, wenn Kind mit Oma gerade schon ein bisschen im Spiel oder so verwickelt ist.


Maria00

Genau das mit dem Brot holen habe ich heute versucht als die Oma bei uns war. Sie hat leider 7 Minuten geweint. Das würde wirklich auf ein fehlendes Wissen um die Objektkonstanz hinweisen. Allerdings bin ich mir recht sicher, dass meine Tochter die schon hat: wenn ich in einen anderen Raum gehe, folgt sie mir oft nach ein paar Minuten nach oder kratzt an der Tür vom Klo wenn ich dort bin. Auch berichten mir alte, dass sie während meine Abwesenheit ständig zur Tür raus will. Spricht das nicht dafür, dass sie weiß dass ich irgendwo da draußen bin? Vielen Dank aber für Ihre Einschätzung: ich hoffe wirklich dass sie Recht haben und die Situation sich dann mit zunehmender Reife ändert! Ich werde nun jeden vormittag bei der Oma verbringen. Und eine Frage an cube: wann war denn ihr Sohn bereit für Fremdbetreuung?


März2016

Hallo Maria, ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich auch meinen „Senf“ bzw. Erfahrung dazugebe. Meine Tochter ist jetzt 26 Monate als. Mit 12 Monaten (und relativ lange darüber hinaus) war sie genauso. Sie ist auch jetzt noch ein recht anhängliches Mädchen, aber man merkt eindeutig, dass der Papa (endlich!) weit höher im Ansehen gestiegen ist ;) Ursprünglich sollte sie mit 12 Monaten in die Krippe. Den Platz haben wir kurzfristig gechancelt, weil das keinerlei Sinn gemacht hätte (und ich mich dabei nicht gut fühlte). Ich habe meine Elternzeit dann verlängert. Mit 20 Monaten ist sie dann in die Krippe gekommen. Und auch da wäre sie wohl - wenn man absolut ausschließlich ihre Bedürfnisse bedacht hätte - noch nicht zu 100% bereit gewesen. Aber nun musste und wollte ich wieder arbeiten. Die Erzieherinnen sind super und gehen sehr individuell auf sie ein, und trotzdem war es ein schwerer Start und der Papa hat die Eingewöhnung übernommen. Jetzt geht sie gerne und ohne Tränen in die Kita. Was ich sagen möchte: Es gibt solche Kinder, bei meiner wäre es mit 12 Monaten (gerade um die Zeit!) nicht denkbar gewesen. Wenn sie dann noch zusätzlich gezahnt hat (ist das zufällig der Fall?), dann durfte sie niemand auch nur anschauen außer Mama. Selbst auf den Arm wollte sie dann nicht einmal bei ihrer geliebten Oma. Auch die Loslösung zum Papa hat ewig gebraucht - obwohl mein Mann sich sehr viel Zeit nimmt und absolut liebevoll ist. Andere Väter investieren so viel weniger und es geht quasi von alleine. Kinder sind so unterschiedlich. Du hast also nur die Möglichkeit: Es durchziehen und durchhalten, was für euch beide ehrlich gesagt nicht schön wird und sie zu den Entwicklungsschritten „zwingen“, oder du musst schauen, ob du das berufliche verschieben kannst.


cube

Die Objektpermanenz kannst du ganz einfach testen: leg mal ein Tuch über ein Spielzeug und frage dann "wo ist xy"? Zeigt sie auf das Tuch oder zieht es weg, weiß sie bereits, das nur wegen des Tuches das Spielzeug nicht wirklich weg ist. Das heißt aber nicht, dass sie bereits weiß, dass du wiederkommst. Du bist ja wirklich weg. Das hat eher etwas mit dem erworbenen Wissen oder Vertrauen darauf, dass du wiederkommst zu tun. Unser Kind ist dann tatsächlich erst mit 3 in den KiGa gegangen. Ganz sicher werden einige sagen, ich hätte mich nicht trennen können und deswegen hätte es nicht geklappt oder wir hätten härter bleiben müssen oder oder . Aber auch mit 2 war es so, dass er trotz wirklich guter TaMu, der wir auch wirklich vertrauten und über Empfehlungen bekommen haben, unser Kind sogar Nachts weinend aufwachte und schrie "nicht zu xy!" Er wollte schon gar nicht mehr überhaupt ins Auto - egal wo es hingehen sollte. Alles war ganz sanft und langsam. Dennoch keine Chance und wir wollten es eben nicht erzwingen. Vielleicht hatte er - warum auch immer - keinen guten Draht zu ihr? Versteh das eben bitte nicht als "bange machen", dass es bei euch auch so sein wird!! Jedes Kind ist anders und vielleicht hätten wir mit einer anderen TaMu mehr Glück gehabt - aber wir haben uns eben dazu entschieden, das die ersten 3 Jahre zu Hause eigentlich eh das Beste sind und wir es mit ein bisschen Einschränken hinbekommen. Hätten wir die Möglichkeit der Betreuung durch Oma gehabt, hätte es wohl geklappt/wir hätten es weiter versucht. Familie ist ja nicht wirklich Fremdbetreuung. Und Oma hätte auch nicht den "Druck" anderer Kinder gehabt, um die sie sich kümmern muss. Ich glaube, das es mit Oma klappen wird aber eben vielleicht 1-2 Wochen länger braucht als man so im Kopf hatte. Bleib mal ein paar Tage dabei/geh nicht raus, halte dich aber Hintergrund. Gib vor Beschäftigt zu sein. Wenn das gut klappt, kannst du dann mal in den anderen Raum gehen und gleich wieder zurück kommen. Klappt das gut, bleibst du mal ein bisschen länger im Nebenraum und so weiter.


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