Dyskalkulie - wenn Rechnen zur Qual wird

Junge mit Notebook

© Adobe Stock, pressmaster

Schon in der Grundschule gibt es Kinder, für die Mathematik ein Buch mit sieben Siegeln ist: Das Einmaleins sitzt auch nach langem Üben nicht, einfachste Rechnungen werden nicht verstanden und Textaufgaben sind schier unlösbar.

Kinder, auf die das zutrifft, leiden womöglich unter Dyskalkulie.

Was versteht man unter Dyskalkulie?

Genauso häufig wie die Legasthenie oder Lese-Rechtschreibstörung, aber weit weniger bekannt, ist die Dyskalkulie oder Rechenstörung. Etwa 4% bis 6% aller Schulkinder haben Schwierigkeiten, mathematische Zusammenhänge zu erkennen und zu verarbeiten. Meistens bezieht sich das Defizit auf die vier Grundrechenarten: Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division.

Dabei mangelt es den Kindern nicht an Intelligenz oder Förderung. Es sind Störungen der speziellen Verarbeitungsprozesse im Gehirn, die es den Betroffenen erschweren, die Rechenoperationen und die dahinterstehende Logik zu verstehen.

Dyskalkulie ist als Teilleistungsstörung medizinisch anerkannt. Das bedeutet, dass sich das Defizit nur auf einen Bereich bezieht, andere Begabungsbereiche sind davon nicht betroffen. Die meisten Kinder zeigen deshalb in anderen Schulfächern ganz normale Leistungen.

Woran erkennt man Dyskalkulie?

Da Dyskalkulie sehr individuelle Ausprägungen hat, können betroffene Kinder auch sehr unterschiedliche Merkmale zeigen. Hier ein paar Auffälligkeiten, die darauf hindeuten, dass ein Kind eine Rechenschwäche haben könnte:

  • Das Einmaleins fällt auch nach langem Üben sehr schwer
  • Für Matheaufgaben braucht das Kind ungewöhnlich lange
  • Das Verständnis fehlt, dass hinter einer Zahl eine bestimmte Menge steht
  • Das Kind hat Schwierigkeiten beim räumlichen Denken
  • Das Kind hat Probleme, die Uhrzeit zu lesen
  • Finger, Stifte oder andere Hilfsmittel werden lange zum Rechnen benötigt
  • Die in Textaufgaben enthaltenen Rechenoperationen kann das Kind nicht herausfiltern
  • Zahlen werden häufig verdreht und nach gesprochener Reihenfolge aufgeschrieben
  • Unsicheres Verständnis von Mengen, Massen und Verhältnissen: Ob eine Zahl oder ein Abstand größer oder kleiner ist, kann nicht abgeschätzt werden
  • Im Zahlenraum ab 100 kommt das Kind schlecht zurecht
  • Das Überschlagen und Abschätzen von Ergebnissen gelingt nicht
  • Trotz häufigen Übens verbessern sich die Leistungen nicht

Wie kann man Dyskalkulie diagnostizieren?

Dyskalkulie können nur Fachleute wie Kinder- und Jugendpsychiater und Kinder- und Jugendpsychologen mit bestimmten Testverfahren diagnostizieren. Im Rahmen der Testung werden u. a. Rechentests durchgeführt und die Art der Fehler analysiert, sowie die dahinterstehenden mathematischen Vorstellungen. Außerdem durchläuft das Kind einen Intelligenztest um abzuschätzen, ob die Problematik durch Über- oder Unterforderung hervorgerufen wird. Ferner untersuchen die Experten die Motorik und Körperwahrnehmung des Kindes.

Falls Eltern den Verdacht haben, ihr Kind könnte betroffen sein, sollten sie sich an den behandelnden Kinderarzt wenden oder an den Schulpsychologen. Von ihnen erfahren Eltern auch welche Fachleute vor Ort eine Diagnostik durchführen können.

Grundsätzlich gilt: Je früher man eine Dyskalkulie erkennt, desto besser ist es für die schulische Förderung des Kindes. Denn mathematische Kompetenzen bauen direkt aufeinander auf. Je eher mathematische Lücken geschlossen werden, desto schneller sind Lernerfolge möglich. In manchen Bundesländern gibt es auch bei diagnostizierter Rechenschwäche Regelungen für einen schulischen Nachteilsausgleich.

Welche Therapie gibt es?

Wenn die Diagnose Dyskalkulie feststeht, sollte das Schulkind bei einem ausgebildeten Lerntherapeuten eine Therapie machen. Denn ohne spezielle Lernförderung sind Fortschritte bei einer Rechenstörung nur sehr schwer möglich. Außerdem ist Dyskalkulie "entwicklungsstabil", das bedeutet, die Störung bleibt ohne Förderung bestehen - auch wenn das Kind älter wird.

Da die Betroffenen ganz unterschiedliche Ausprägungen zeigen, entwickelt der Lerntherapeut einen individuellen Förderplan und zeigt dem Schüler mögliche Lösungsansätze auf. So lernt das Kind über Regeln und Gedächtnisstützen mathematische Zusammenhänge zu erkennen und herzuleiten. Erklären Sie Ihrem Kind im Vorfeld auch, was eine Rechenschwäche ist und was sie bedeutet. Sparen Sie nicht mit Lob für seine Anstrengung und seine kleinen und großen Erfolge und seien sie geduldig - Therapieerfolg braucht Zeit.

Wer zahlt die Therapie?

Die Kosten für eine Lerntherapie müssen die Eltern meist selbst tragen - die Krankenkassen übernehmen die Therapiekosten in der Regel nicht. Jedoch kann man versuchen, über das zuständige Jugendamt eine Kostenübernahme im Rahmen einer "Eingliederungshilfe" zu beantragen. Um diese Hilfe zu bekommen, muss man mit einem ärztlichen Gutachten darlegen, dass das Kind einen Entwicklungsrückstand aufweist oder gefährdet ist, seelische Beeinträchtigungen durch die Lernstörung davonzutragen. Am besten erkundigen Sie sich beim zuständigen Jugendamt nach den Voraussetzungen für eine Eingliederungshilfe und sprechen auch mit dem behandelnden Kinderarzt darüber.

Was können Eltern tun?

Alles was die abstrakte Zahlenwelt greifbar macht, kann dem Kind helfen, einen besseren Zugang zu bekommen: Kneten Sie mit Ihrem Kind Mengen: Wie viel sind 20 kleine Knetkugeln und wie groß ist der Berg mit 50 Knetkugeln. Teilen Sie dreißig Kugeln in drei gleich große Haufen. So werden Mengen und einfache Rechenoperationen besser vorstellbar.

Versuchen Sie, regelmäßig ein bisschen Mathematik in den Alltag einzubauen: Lassen Sie ihr Kind häufiger schätzen, damit es ein Gefühl für Gewichte, Abstände und Massen bekommt. Machen Sie auch ein paar kleine "Versuche" mit der Küchenwaage. So kann das Kind im besten Sinne "begreifen" wie schwer oder leicht Sachen sind. Und fragen Sie es regelmäßig nach der Zeit. Dazu sollte es keine Digitaluhr haben, sondern eine Uhr mit Zeigern.

Kennen Sie "Sinnesmaterial"? Die Montessori-Pädagogik arbeitet mit Lehrmaterialien, die Kindern in dreidimensionaler Weise mathematische Zusammenhänge verdeutlicht. So kann man für Kinder das Verständnis von Formen, Körpern, Mengen und Größen "begreifbar" machen. Montessori-Materialien wie Hunderterbrett, Multiplikationsbrett, Zahlenchips und -tafeln sind deshalb ideal, um Kindern mathematische Zusammenhänge zu verdeutlichen.

Und ganz wichtig: Erklären Sie Ihrem Kind, was eine Rechenschwäche ist und was sie bedeutet. Stärken Sie Ihr Kind und nehmen Sie Druck und Versagensängste von ihm. Loben Sie Ihr Kind auch bei kleinen Erfolgen, honorieren Sie seine Anstrengungen und seien Sie möglichst geduldig, denn der Erfolg stellt sich erst mit der Zeit ein.

Zuletzt überarbeitet: April 2019

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