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Hallo zusammen, kennt Ihr das Buch von Nora Imlau - "So viel Freude, so viel Wut"? Es thematisiert gefühlsstarke Kinder. Im englischsprachigen Raum ist das wohl verbreiteter, bei uns konzentriert es sich bisher auf diese Autorin. Was haltet Ihr davon? Die Schlumpfine würde darunter fallen, sie erlebt einfach stärkere Emotionen und hat entsprechend mehr Probleme, es zu regulieren. Das hat auch die Vertrauenserzieherin in der Kita schon so beschrieben, ist also jetzt keine individuelle Mutter-Sicht. Ich hasse es eigentlich, Kinder in Schubladen zu stecken, wobei es in diesem Fall ja keine "Diagnose" ist, sondern lediglich die Beschreibung einer Variation der Persönlichkeit, die vielleicht etwas außerhalb der als unproblematisch tolerierten Norm liegt. Das Problem an solche Schubladen-Communities ist halt auch meistens, dass sie sich immer nur selbst bestärken und nicht über den Tellerrand schauen. Hintergrund, warum ich mich gerade etwas mehr damit beschäftige: Ich habe in den nächsten Tagen ein Aus-der-Reihe-Entwicklungsgespräch in der Kita, wo es um dieses Thema (also verstärkte Emotionen, Wutausbrüche usw.) geht. Es gab eine Phase, da hat sie Kinder geschubst und gehauen (~2 Wochen lang), das scheint jetzt inzwischen kaum noch vorzukommen. Sie schreit ihre Wut jetzt raus, das z.T. wirklich schrill und laut (und auch das stört natürlich die anderen Kinder), aber sie schubst und haut scheinbar kaum noch. Aber wir kenne sie ja auch. Sie wird halt sehr schnell sehr wütend, aber auch fröhlich und traurig und überhaupt. Wir begleiten sie, benennen Gefühle, setzen aber natürlich auch Grenzen, wenn sie uns oder sich selbst weh tut oder weh tun könnte. Es gibt noch so ein paar andere Themen, sie hat z.B. auch mit freudigen Situationen ein Problem (sie hasst es, etwas geschenkt zu bekommen, zum Nikolaus hat sie uns am Vorabend erklärt, sie will nichts vom Nikolaus, wir sollen ihn wieder wegschicken, aber er soll ihren Wunschzettel für Weihnachten mitnehmen). Neulich sind wir zu Oma und Opa gefahren, die liebt sie, da freut sich sich drauf und sie vermisst sie, wenn wir nicht da sind. Es ist eine lange Fahrt (~4h), sie fragte ab Ausfahrt Tiefgarage bei uns, wann wir da sind. Und als wir endlich da waren, wollte sie nicht aussteigen, ist in der Kälte im Auto sitzen geblieben, hat irgendwann geschrien und geweint. Wir haben ihr halt was warmes zum Zudecken gegeben und inzwischen das Auto ausgeräumt, irgendwann hat mein Mann sie dann dazu bewegt, endlich auszusteigen. Dann war sie noch 20 s auf seinem Arm und *zack* angekommen (das hat früher eher 1 h oder so gedauert). Diese ganze Gefühlsregulierung ist schon viel besser geworden, Situationen, in denen sie früher 20 Minuten auf dem Boden gewütet hätte, schmeißt sie sich jetzt manchmal hin, schreit kurz und steht nach kurzer Zeit wieder auf als wäre nichts gewesen. Aber sie kann eben sehr sehr laut schreien, da halten auch wir uns häufiger einfach die Ohren zu, weil es weh tut, und erklären ihr das auch dabei ruhig. Aber naja, das Problem ist halt, dass manche Kinder in der Kita manchmal Angst vor ihr haben, man merkt auch beim Abholen und Bringen, dass sie nicht ganz so beliebt ist wie andere Kinder. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass andere Kinder sie grundsätzlich meiden. Ihre beste Freundin (unser Corona-Tandem noch aus der Krippe, ist in der gleichen Gruppe, wir treffen uns auch privat wöchentlich 1x) hat glaube ich schon manchmal ein wenig Angst vor ihr, aber sie spielen auch sehr harmonisch zusammen und auch die Freundin sucht immer wieder ihre Nähe. Ich weiß jetzt nicht, wie "problematisch" das alles ist. Ich habe es bisher eben hingenommen, dass sie etwas emotionaler ist als andere Kinder, versuche sie da eben durchzubegleiten, ihr Strategien zur Gefühlsregulierung an die Hand zu geben (Schreien und Stampfen ist besser als Hauen, zur Erzieherin oder zu uns kommen, wenn sie wütend wird usw.). Dass sie damit jedenfalls im Moment nicht das beliebteste Kind ist, kann ich aus Sicht der anderen Kinder absolut nachvollziehen, aber sie hat ja Kontakte, spielt auch in der Kita nicht allein und dass sie sich positive Situationen selbst verbaut (wie z.B. Geschenke bekommen), naja, das ist eben so. Wir werden jetzt wohl das "beschenkt werden" stärker ins Spiel einbauen (sie verpackt auch immer mal irgendwas und "schenkt" es uns, das werden wir dann andersrum auch machen), um diese Themen auch mal anzugehen. Aber insgesamt habe ich das alles für irgendwo normal (wenn auch eben etwas anstrengend) gehalten. Die Kita-Erzieherin hat jetzt das Thema "Hilfe holen" angesprochen und will uns da auch nochmal Anlaufstellen raussuchen für das Gespräch. Ich persönlich frage mich, ob das alles wirklich so problematisch ist. Ich denke, wir haben das insgesamt gut im Griff, ich verliere manchmal die Nerven, aber dann werde ich allenfalls mal etwas laut (wer wird das nicht?) oder muss eben mal weggehen, mich abkühlen. Ich finde es aber grundsätzlich auch gar nicht verkehrt, dass sie auch mal merkt, dass eben meine Grenzen auch irgendwann erreicht werden. Ansonsten sehen wir klare Fortschritte beim Thema Gefühlsregulierung. Klingt das für Euch alles jetzt problematisch oder eben doch eher nach "manche Kinder sind halt so"?
hallo,ich habe hier auch so ein gefühlsstarkes Kind zuhause (3). Ich kenne auch das Buch und war froh darüber, dass wir nicht alleine damit sind. Wir handhaben das so ähnlich wie du. Aber im Kindergarten Alltag ist das wirklich ein Problem. Wir haben deshalb Frühförderung. Da kommt eine Heilpädagogin in den Kindergarten und kann dort vor Ort Situationen nachstellen und ihm helfen (wir haben ehr das Problem wenn viele Kinder da sind das kann ich zuhause nicht alles abbilden). Und er geht zur Ergotherapie, das hat aber gerade erst angefangen. Ich hoffe, dass ihm das hilft. Mam merkt nämlich dass er selbst oft nicht weiß wieso er gerade so reagiert hat (leider ist eher von der groben Sorte). Zuerst habe ich mich auch gegen die Hilfe gesträubt, für mich war es ja mein Kind, eben etwas abseita von der Norm aber dennoch nicht schlimm. Aber ich denke nun, dasa ihm im Kindergarten besser geholfen werden kann als später in der Schule. Da möchte ich ihm gerne rechtzeitig helfen. Aber auch wir kommen oft an unsere Grenzen...
Meine Tochter ist so alt wie deine, ich bin eher stille Mitleserin und "kenne" euch schon lange. Ich finde dich sehr reflektiert und finde, deine Tochter kann sich glücklich schätzen, Eltern "erwischt" zu haben, die sie so annehmen, wie sie ist. Meine Kinder sind nicht gefühlsstark und haben eher andere Schwierigkeiten/Stärken, also kenne ich mich dahingehend nicht so gut aus. Das angesprochene Buch habe ich gelesen. Ich bin Erzieherin und würde mir bei manchen von mir betreuten Kindern solch offene und reflektierte Eltern wünschen. Ich würde behaupten, mit einer Entwicklungsdiagnostik oder was auch immer dir der Kindergarten vorschlägt, ist deine Tochter noch lange nicht in einer Schublade. Vielleicht bin ich da auch zu naiv und positiv, aber mit einer näheren, professionellen Betrachtung wäre schon etwas gewonnen. Vielleicht gibt es ja auch Tipps für den Kindergarten im Umgang oder Hintergrundwissen. Alles Gute!
Mir gefällt der Begriff "gefühlsstark" nicht so gut - denke es liegt am Temperament, wie Gefühle gezeigt werden. Meine Tochter (bald 3) hat sehr viel Temperament - mit allen Vor- und Nachteilen. Ihre Freude ist sehr einnehmend und ansteckend, aber wenn ihr was nicht passt wird sie zum Teufelchen - komplett ändern kann man es nicht, aber ich versuche ihr immer wieder zu zeigen, wie sie es schafft weniger anzuecken. Mir hat das Buch "Wie anstrengende Kinder zu großartigen Erwachsenen werden" geholfen. Nora Imlau habe ich absichtlich nicht gelesen, da es mir zu sehr nach Schubladisierung klang...
Ich kenne das Buch nicht. Fakt ist, daß einige Erwachsene mit starken und für sie oft überwältigenden Emotionen schon in der Jugend so tickten... und, soweit es im Einzelfall noch nachvollziehbar ist, auch schon in der Kinderzeit. Umgekehrt gilt aber nicht: Jedes Kind mit starken und für es oft überwältigenden Emotionen hätte noch im Erwachsenenalter ein "Problem" damit. Und da kommt Ihr (und der Kindergarten/Schule/...) ins Spiel: Wenn ein Kind nämlich dann geduldig an eine funktionierende Emotionsregulation herangeführt wird (und in einem funktionierenden Umfeld aufwächst!!!), dann ist bis zum Erwachsenenalter meist alles im Lot. Ich klaue mal die Metapher des Chefarzts einer psychomat. Klinik (Schlemmer-Klinik): Manche Menschen sind wir dumpfe Ackergäule, andere wie Wildpferde (oder Araberpferde) - man muß halt nur besser reiten lernen, dann macht es mit letzteren viel Spaß! Nur noch eins, Du schreibst: "ich verliere manchmal die Nerven, aber dann werde ich allenfalls mal etwas laut (wer wird das nicht?) oder muss eben mal weggehen, mich abkühlen. Ich finde es aber grundsätzlich auch gar nicht verkehrt, dass sie auch mal merkt, dass eben meine Grenzen auch irgendwann erreicht werden." Ich kann natürlich nicht einschätzen, was bei Dir "mal etwas laut" werden ist. Nach dem Thema "starke Emotionen" klingt es für mich so, als sei auch für Dich vielleicht Emotionsregulierung ein Thema? Wobei das "mal weggehen" eine tolle Lösung ist (die Deine Tochter sich ja auch gern abgucken darf), wenn sie klappt. Wobei die Notwendigkeit wegzugehen drauf hindeutet, daß ja auch bei Dir starke Emotionen im Spiel sind? Und generell wäre "selbst lautwerden" halt keine gute Art, mit einem Kind mit starken Emotionen umzugehen. Klingt vielleicht banal, aber genau dann haben Kinder höhere Chancen, auch noch im Erwachsenenalter ein Problem mit ihren starken Emotionen zu haben. [Also nicht 1x etwas Stimme erheben - aber wenn z.B. Anblaffen oder Schreien häufiger vorkommt.] Insofern - überleg Dir, ob auch Du noch etwas an Deinem Verhalten verändern möchtest, um Deine Tochter zu unterstützen. Und bitte nicht mißverstehen: Das ist nicht als Kritik gemeint (ich weiß ja gar nicht, wie Du reagierst!) - nur als Anregung, wenn Du auch in dieser mutigen Form Deine Tochter unterstützen möchtest. Manche Eltern suchen sich ja einfach darum professionelle Unterstützung, um mit ihren Eigenheiten so gut zurechtzukommen, daß ihre Kinder es eines Tages leichter haben und sich weniger abgucken. Ob das für Euch etwas ist, weiß ich ja gar nicht... wirklich nur als Anregung. :-)
Mit "auch mal laut werden" meine ich vielleicht in Summe 2x pro Woche, meist wenn sie mich haut und nicht ablässt oder so sehr rumwütet, dass man aufpassen muss, dass sie sich nicht selbst weh tut. Oder wenn man ihr eben 5x sagt, dass sie ihre dreckigen Schuhe ausziehen soll und nicht einfach in den Flur laufen, und wieder, und wieder, und sie springt noch wild rum und man nimmt sie und trägt sie wieder zur Tür und sie schlägt dann um sich und alles wird dreckig und ja, dann passiert es auch mal (je nach meiner Stimmung), dass ich laut werde. Laut werden heißt dann mal "Kind, es reicht jetzt, zieh endlich Deine Schuhe aus" und ggf. festhalten, dann geht es auch meistens wieder. Ich halte es immer so, dass ich mich bei ihr entschuldige, wenn ich merke, dass es ungerechtfertigt oder zu laut war, und allein daran, wie selten inzwischen eine Entschuldigung geworden ist sehe ich, dass ich da auch schon erfolgreich an mir gearbeitet habe. Grundsätzlich bin ich schon ein emotionaler Mensch, aber so an den Rand der Verzweiflung bringt mich außer meinem Kind eigentlich nichts. Mir fällt in den letzten fünf Jahren eine Situation mit einem Handwerker ein, wo ich mal weggehen musste, damit ich ihn nicht anschreie (und ganz ehrlich, da hatte ich recht! ;-)), ich würde also sagen, dass ich meine Gefühle schon recht gut im Griff habe. Jedenfalls danke an alle, Ihr bestärkt mich darin, dass der Weg schon passt, den wir gehen. Und falls das nicht rausgekommen ist: Ich liebe mein Kind über alles! ;-)
Habe das Buch nicht gelesen, mir ist der Ausdruck gefühlsstark auch zu schwammig. Aber es gibt auf jeden Fall Kinder (und Erwachsene!), Die viel viel mehr Hilfestellung bei der Emotionsregulierung benötigen (und entsprechend mehr Einsatz durch die Eltern, ErzieherInnen und Co).
Meine Tochter ist auch "temperamentvoll" (als Baby mit Regulationsstörungen, "High Need" - auch eine blöde Schublade, aber manchmal erleichtern Begriffe die Kommunikation). Eine Freundin meinte Mal zu mir, dass es anders ja eine Verschwendung meiner Kompetenzen wäre Musste befreit lachen, hat irgendwie gut getan.
Für mich klingt das Geschilderte so als hättet ihr viel geleistet und eurem Kind schon sehr helfen können. Dass das Kita Personal da nochmal genauer hinschauen um ggf weitere Hilfe anbieten zu können, finde ich sehr positiv. Sie verurteilen euch und euer Kind offensichtlich nicht, wollen da aber unter Umständen wohl schlicht die Meinung von Experten. Und das ist prinzipiell immer eine gute Idee, auch um ggf ganz früh schon entsprechend Zusatzhilfe anzubieten, die gar nicht erst ein größeres Problem entstehen lassen. Und sei es, dass ihr aus dem Kita Gespräch einfach nur gestärkt raus geht.
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