Hallo Frau Schulze,
vor 12 Wochen hatte ich eine Fehlgeburt inkl. Ausschabung. Ich glaube, dass ich die Fehlgeburt inzwischen recht gut verarbeitet habe, auch wenn ich gelegentlich immer noch traurig bin, dass es dieses Jahr wohl nicht sein soll, dass wir Eltern werden. Es sollte einfach nicht sein und hatte sicherlich einen Grund.
Nun warte ich seit der Ausschabung vergebens darauf, dass sich ein normaler Zyklus wieder einstellt (vor 4 Wochen sah laut Frauenarzt alles gut aus, Eisprung sollte inzwischen stattgefunden haben und die Periode hätte eigentlich vor 2 Wochen beginnen sollen), damit wir weiter basteln können. Dieses Thema erneut beim Frauenarzt zu thematisieren, ist für mich persönlich im Moment unmöglich, da ich das Gefühl habe, dass ich übertreibe und mich nur selber verrückt mache, und damit unnötig die Zeit des Arztes rauben würde.
Je länger ich jedoch warten muss, desto schwieriger und kräftezehrender ist dies für mich. Meine Angst wird immer größer, dass etwas nicht stimmt und ich nicht wieder schwanger werden kann.
Mein Umfeld sagt immer, dass ich aufhören muss mich so unter Druck zu setzen, dass es erst wieder funktionieren wird, wenn ich im Kopf frei bin. Nur ist das leider leichter gesagt als getan. Durch die Fehlgeburt ist mein Kinderwunsch nur größer geworden und nicht mal die Möglichkeit zu haben zumindest zu versuchen diesen Wunsch zu erfüllen, belastet mich sehr.
Hätten Sie irgendwelche Tipps für mich, wie ich mit der Situation umgehen könnte, damit es etwas leichter ist und um den "Kopf freizubekommen"?
Vielen Dank im Voraus.
von
Lini148
am 01.08.2023, 15:12
Antwort auf:
Angst nach Fehlgeburt
Hallo liebe Lini148,
vielen Dank für deine Nachricht und dein Vertrauen. Dein Verlust tut mir sehr leid. Ich kann mir gut vorstellen, dass es schwer ist, wenn man eigentlich weiter machen möchte, aber der Körper noch nicht so weit ist.
Ich möchte Dich auf jeden Fall ermutigen einen Termin mit Deinem Frauenarzt zu machen und darüber zu sprechen. Es ist schwer “den idealen Zeitpunkt” für einen Laborwert oder eine Untersuchung festzulegen. Trotzdem ist es wichtig darüber im Gespräch zu bleiben, damit es nicht irgendwann sehr spät erst dran kommt.
Auch zu Deinem Umfeld gebe ich Dir jetzt einen Tipp: sicher möchten sie Dir mit ihren Aussagen helfen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass diese Aussagen für Dich gar nicht nützlich sind. Ich kann verstehen, dass Dein Kinderwunsch jetzt größer ist und Du viel daran denkst. Ich hoffe es entlastet Dich, dass Deine Gedanken es weder wahrscheinlicher noch unwahrscheinlicher machen, dass Du schwanger wirst. Das ist aktuell der wissenschaftliche Stand. Was Dein Umfeld aber vielleicht eigentlich erreichen möchte, ist Dir Tipps zu geben, wie Du Kraft schöpfen kannst. Ich versuche das jetzt auch mal. Aber hoffentlich anders und hilfreich für Dich:
In der Kinderwunschzeit ist Warten schwierig, weil man auf etwas so Besonderes hin fiebert. Und Angst, dass es nicht klappt ist natürlich auch immer ein Thema. Die Wartezeit fühlt sich oft wie vergeudetet Zeit an. Das liegt daran, dass man selber oft nicht aktiv ist. Dann kann es helfen, gedanklich ins Hier und Jetzt zu kommen, indem man diese Zeit gezielt nutzen. Hierbei kann eine gute Tagesstruktur helfen. So kann man zum Beispiel wichtige Dinge erledigen oder sich selber bewusst etwas Gutes zu tun (z.B. Abends ein Entspannungsbad oder eine halbe Stunde Zeit zum lesen einplanen).
Andere Lebensbereiche werden in dieser Lebensphase häufig vernachlässigt (z.B. Urlaube oder der Beruf), immer mit dem Hintergedanken, dass sich durch ein Kind bald vieles ändern wird. Aber dadurch bleibt das Leben in vielen Bereichen stehen und man nimmt das Warten auf ein Baby viel intensiver wahr. Es geht nicht darum sich damit abzulenken, sondern dass Du Dich mit Hilfe Deiner anderen Lebensbereiche stabilisierst und daraus Kraft tankst.
Ich möchte dir für diese Zeit auch mein Kinderwunschprogramm empfehlen www.mentalstark.app. Wir haben psychologische Unterstützungsgruppen für die Bewältigung und die Kinderwunschzeit. Hier kannst Du Dir jede Woche Unterstützung holen.
Und außerdem habe ich eine Podcastfolge zum Thema Fehlgeburt und wie man damit umgehen kann: https://open.spotify.com/episode/4hMaA4FDS0MNiAMGp3UTmp?si=ea6af3caf75e48e6
Ich hoffe diese Anregungen helfen dir weiter. Falls du noch weitere Fragen hast, kannst du mir gerne wieder schreiben.
Viele Grüße, Sally
von
Dipl.-Psych. Sally Schulze
am 02.08.2023