Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Sehr dünne Kaiserschnittnarbe

Dr. med. Vincenzo Bluni

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Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Sehr dünne Kaiserschnittnarbe

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Hallo Dr.Bluni, meine Freundin ist in der 23.Woche mit Zwillingen schwanger.Es ist ihre 5.Schwangerschaft. Die zweite Entbindung war wegen Gestose und Geburtsstillstand eine Sectio.Nach 13 Monaten kam ihr drittes Kind spontan aber mit Wehentropf zur Welt.18 Monate später kam das Vierte auch spontan aber mit Wehentropf. Bei dem letzten vaginalen Ultraschall hat ihr Frauenarzt die alte Narbe vermessen.Die Gebärmutterdicke betrug 1,4mm!!!! Der Arzt scheint zwar besorgt,trotzdem ist der nächste Kontrolltermin erst in 4 Wochen.Ihre Hebamme meint,daß es nicht dramatisch wäre. Ich mache mir jedoch sehr große Sorgen um meine Freundin.Sie sagt auch ,daß sie oft schmerzen im Bereich der Narbe hat,die sie von ihren anderen Schwangerschaften nicht kennt. Mein Mann (Allgemeinmediziener) kann nicht verstehen,warum so wenig Kontrollen bzw.sie keine Haushaltshilfe verschrieben bekommt und ist auch sehr besorgt. Ich frage Sie jetzt als Facharzt.Ist die Situation wirklich so ungefährlich wie die Hebamme sagt,oder sollte sich meine Freundin doch noch eine zweite Facharztmeinung einholen? Vielen Dank für Ihre Antwort. LG Sandra


Dr. med. Vincenzo Bluni

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Hallo, 1. bei einer Schwangerschaft/Geburt nach einem oder mehreren Kaiserschnitten ergeben sich besondere Risiken im Wesentlichen durch die mögliche Ruptur der Gebärmutter. Dieses kann während der Gravidität (sehr selten) als auch unter der Geburt eintreten. Man spricht von einer kompletten Ruptur, wenn es zur Zerreißung des Bauchfells über der Gebärmutter (viszerales Peritoneum) mit teilweisem Vorfall fetaler Anteile in die Bauchhöhle kommt. Dies bringt eine akute Gefährdung von Mutter und Kind mit sich. Geht die Naht ein wenig auseinander (Nahtdehiszenz), kann dieses ohne Symptome verlaufen. Die Ruptur der Gebärmutter noch während der Schwangerschaft bei regelmäßiger Wehentätigkeit ist offensichtlich so selten, dass es hierzu keine Zahlen in der Literatur gibt, auch wenn die Anzahl der Kaiserschnitte deutlich zugenommen hat. Das Risiko einer Uterusruptur für Frauen nach einem Kaiserschnitt liegt nach Informationen der WHO bei etwa 0,32% (Spong CY et al. Risk of uterine rupture and adverse perinatal outcome at term after cesarean delivery. Obstet Gynecol 2007;110: 801-7). Das Risiko für eine Ruptur nach Kaiserschnitt ist bei der Spontangeburt mit 0,74% am größten verglichen mit einem primären oder sekundären erneuten Kaiserschnitt. Das Wiederholungsrisiko einer symptomatischen oder gedeckten Ruptur beträgt 6,4% (Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (2007). Birth after previous cesarian birth. Greentop Guideline No.45). In einer Situation nach Kaiserschnitt, bei dem (z.B. wegen einer Frühgeburt) die Gebärmutter längs eröffnet wurde, ist das Risiko mit 4-9% bedeutend höher. Das Wiederholungsrisiko für eine Uterusruptur nach einmaliger Ruptur in der Vorgeschichte wird mit 4% angegeben und steigt mit der Anzahl der vorhergehenden Rupturen weiter an. Ein ca. 8% Risiko besteht für ein drittes Reißen der Gebärmutter. In einer Studie in der Zeitschrift Obstetrics & Gynecology aus 2010 zum Einfluss des Zeitintervalls zwischen dem Kaiserschnitt und der darauffolgenden Schwangerschaft auf das Rupturrisiko konnte gezeigt werden, dass erstens ein Abstand von weniger als 18 Monaten das Rupturrisiko um den Faktor 3 statistisch signifikant erhöht, jedoch ein Zeitintervalle von 18-24 Monaten nicht mehr (Quelle: “Risk of Uterine Rupture Associated With an Interdelivery Interval Between 18 and 24 Months”, May 2010 - Volume 115 - Issue 5 - pp 1003-100, Bujold, Emmanuel MD, MSc; Gauthier, Robert J. MD). Aus diesem Grund wird zumindest ein Abstand von etwa 18 Monaten zwischen einem Kaiserschnitt und der nächsten Geburt, die nicht per Kaiserschnitt erfolgt, empfohlen. Aus einem Bericht der WHO geht hervor, dass es für Frauen ohne vorherige Operationen an der Gebärmutter (inklusives Kaiserschnitt) nur einen einzigen Report zur Uterusruptur am wehenlosen Uterus gibt und der gibt ein extrem geringes Risiko von (0.006%) an. (Quelle: http://www.who.int/reproductive-health/global_monitoring/articles/uterinerupture.pdf ) Weltweit wurden in den letzten 30 Jahren knapp 40 Fälle beschrieben. (Cisse, CT, Faye EO, de Baernis L (2002):Uterine rupture in Senegal. Med Trop 62, 619-622. Ansonsten tritt die Uterusruptur bei Erstgebärenden im Vergleich zu Mehrgebärenden in einem Verhältnis von 1:16 auf (Pan, HS, Huang LW,(2002)Uterine rupture in an unscarred uterus after application of fundal pressure.J Reprod Med 47, 1044-106). 2. für die Dicke der Gebärmutterwand gibt es keine Daten, da aus ihr alleine keine Rückschlüsse zu ziehen sind. 3. wegen der Vorgeschichte, der Zwillingen und der im Raum stehenden Ausdünnung der Gebärmutterwand halte ich es für das Beste, wenn die Freundin sich zeitnahe an einen erfahrenen Ober-/Chefarzt/ärztin in einem Perinatalzentrum wendet, der/die die klinische Situation sicher am besten einschätzen kann. VB


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