Frage im Expertenforum Ergotherapie bei Kindern an Kristin Windisch:

Stifthaltung - Ergotherapie erforderlich?

Kristin Windisch

 Kristin Windisch
Staatlich anerkannte Ergotherapeutin
Zertifizierte Fachergotherapeutin für Pädiatrie GfpF

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Frage: Stifthaltung - Ergotherapie erforderlich?

vb123

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Guten Tag Frau Windisch, mein Kind wird im Sommer mit ganz knapp 6 Jahren eingeschult. KiTa und KiA bescheinigen eine sehr gute Feinmotorik. Allerdings hält das Kind den Stift mit 3 Fingern (Art Pinzettengriff mit Daumen auf der einen Seite, Zeigefinger und Ringfinger auf de anderen Seite). Der Stift ruht somit auf dem Ringfinger statt auf dem Mittelfinger. Daher wurde Ergotherapie verordnet. Nach 8 Stunden ist die Rückmeldung der Therapeutin, dass sie gar nicht weiß, warum sie therapieren soll. Feinmotorik inklusive Linien und Schwüngen sei absolut altersgemäß. Nur die Stifthaltung sei „unüblich“, würde die Motorik aber nicht einschränken. Daher will sie auch keine Übungen für daheim o.ä. mitgeben. Sowohl Schule beim Probeunterricht als auch die Ärztin der Schuleingangsuntersuchung sehen Handlungsbedarf, da die Leitlinien die korrekte Stifthaltung als erforderlich ansehen. Es soll so lange Ergotherapie geben, bis die Stifthaltung stimmt. Wie sehen Sie das? Die Ergotherapie macht dem Kind Spaß, hatte jedoch bisher keinerlei Änderung zur Folge. Vielen Dank für Ihre Einschätzung!


Kristin Windisch

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Hallo, auch wenn die Feinmotorik und Graphomotorik bis auf die Stifthaltung soweit unauffällig und altersgerecht sind, kann beim längerem Schreiben in der Schule die "falsche" Stifthaltung zu Problemen führen (schmerzende Hand, verkrampfen der Muskulatur, weniger Schreibausdauer), dann eine bereits automatisierte Stifthaltung wieder zu korrigieren, wird sehr mühsam und langwierig, daher ist es besser, die Stifthaltung richtig zu automatisieren. Das kann dann auch das Therapieziel sein. Auch sollte mal als Hintergrund der Muskeltonus beurteilt werden, da ein niedriger Muskeltonus zu einer anderen Stifthaltung führen kann ( um mehr Kraft zum halten und führen des Stiftes zu erlangen, wichtig ist auch dass der Arm auf dem Tisch aufliegt und flüssig mitgeführt wird). Zur Automatisierung der richtigen Stifthaltung ist allerdings schon täglich etwas Übung nötig, 1x/Woche allein Ergotherapie ohne häusliche Umsetzung wird das sehr in die Länge ziehen. Es reichen ein paar Minuten eines graphomotorischen Arbeitsblattes oder auch einfach zusammen Malen oder ein Ausmalbild mit kleinen Flächen, wo häufig der Stift gewechselt werden muss. Je öfter der Stiftwechsel, umso mehr wird das Gehirn den korrekten Stiftgriff abspeichern. Zunächst bedarf es da Erklärung und Rückmeldung seitens der Eltern, wie der Stift gehalten wird und dann kann das bspw.mit Stempeln oder Smileys für jeden richtig gehaltenen Stift verstärkt werden. Wichtig ist auch die Stiftwahl: keine dünnen runden Stifte, sondern zunächst mit dicken Dreikantstiften (gibt es auch mit Antirutschpunkten dran), die dem Kind erleichtern, dass auf jede Kantenseite ein Finger kommt. Reicht dies nicht aus, kann mit Griffverdickungen gearbeitet werden (die müssten dann aber eben pro Stift neu aufgesetzt oder viele angeschafft werden, das ist dann eher sinnvoll bei oft eingesetzten Stiften wie Bleistift, Tintenroller, Füller). Soweit die Theorie - ob ihr Kind mit der jetzigen Stifthaltung ohne Einschränkungen im Schulalltag zurecht kommt, kann letztlich keiner vorhersehen. Auch Erwachsene haben manchmal die abenteuerlichsten Stifthaltungen beim Schreiben, aber müssen im Alltag sicherlich nicht mehr so viel mit dem Stift schreiben, wie als Schüler/in. Insofern macht das präventiv schon Sinn. Alles Gute Kristin Windisch


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