Ellie80
Hallo, mein Sohn ist 6 1/2 Jahre alt und seit 3 Wochen nun in der 1. Klasse. Die Lehrerin sprach mich nun an, das es bei ihm einige Probleme gibt, die an einer Störung der Tiefenwahrnehmung liegen könnten. 1. Die Stifthaltung (er ist Linkshänder) wird nicht beherrscht. Sobald er nach Korrektur den Stift kurz pausiert, hält er ihn wieder falsch. 2. Er kann nur schwer in der Klassenrunde auf dem Boden sitzen. Eigentlich liegt er immer, lehnt sich gegen die Wand oder setzt sich unter einen Tisch. 3. Im Spiel mit den Freunden ist er sehr körperbetont, schubst und haut. Nicht wirklich aggressiv, sondern eher „so nebenbei“. Mittlerweile beschweren sich die anderen Kinder schon regelmäßig über ihn. 4. Er stolpert häufig, fällt hin und tut sich weh. 5. Er hat Probleme so ab der 3. Stunde sich zu konzentrieren, stört dann den Sitznachbarn, rutscht auf dem Stuhl hin und her, fällt auch schon mal runter. Hören tut er dann wohl auch nicht mehr. Auch der Sitznachbar möchte schon nicht mehr neben ihm sitzen. Ähnliches wurden schon mal von der Kita berichtet, auch da ging es um sensorische Probleme, aber die Kinderärztin fand es nicht so auffällig für eine entsprechende Therapie. Zu Hause hat er diese Probleme kaum, er kann gut auf dem Boden sitzen, wenn er konzentriert Lego spielt oder puzzelt und das auch über 1-2 Stunden. Wie schätzen Sie die Lage ein? Einen Termin beim Kinderarzt haben wir in 2 Wochen. Kann ich bis dahin schon irgendwelche Übungen machen? Auch, falls die Kinderärztin Ergotherapie weiter ablehnt? Vielen Dank Ellie
Hallo, leider kann ich natürlich keine Ferndiagnostik im ergotherapeutischen Rahmen machen, aber die Schilderungen von Ihnen klingen definitiv nach Ergotherapiebedarf! Erklären Sie der Kinderärztin den täglichen Leidensdruck und aufgrund des Verhaltens in der Schule auch die drohenden sozialen Probleme. Es ist leichter vorbeugend jetzt zu agieren (wobei ich selbst Handlungsbedarf sehe, wenn es die anderen Kinder nicht stören würde), aus sozioemotionaler Sicht. Sollte die Kinderärztin weiterhin verweigern eine Verordnung auszustellen, fragen Sie einen anderen Kinderarzt, oder (manchmal ist es auch eine Budgetfrage) ab welchem Zeitpunkt das Budget eine Ergotherapieverordnung eher zulässt (bestimmte Zeitpunkte im Quartal sind da eher geeignet). Mögliche Ziele-natürlich nach vorheriger Diagnostik-wären: -Automatisierung der korrekten Stifthaltung (um bei längerem Schreiben schmerzender Hand vorzubeugen),ggf.Linkshänderberatung -Verbesserung der propriozeptiven Wahrnehmung/Körperwahrnehmung mit Handlungsstrategien für den Schulalltag:Teilhabe am Morgenkreis und Unterricht ohne Mitschüler zu stören -Verbesserung der sozialen Integration/Interaktion, vllt.auch der Kraftdosierung im Umgang mit Mitschülern -Verbesserung der Konzentrationsspanne,Aufzeigen von Regulationsstrategien, Ergonomieberatung (dynamisches sitzen,...) Meine Empfehlungen bis dahin: Fördern Sie die propriozeptive Wahrnehmung täglich (natürlich kindgerecht): Igelballmassagen,alles was Zug und Druck auf den Körper auswirkt hilft hier und reguliert gleichzeitig Unwohlsein, also Tauziehen,Handstand,Sport (Judo/Karate,schwimmen,Trampolin) auch als Ausgleich zum Schulalltag, Somationstechnik, Seilspringen, sich gegenseitig mit den Händen wegschieben,Aufstehen Rücken-an-Rücken aus dem Sitz (gegeneinander drücken) Sensorische Diät: das bedeutet, die im Alltag sehr belasteten Wahrnehmungsbereiche wie Sehen und Hören auszugleichen zugunsten des Sinnesbereiches Spüren, also nicht in der Freizeit zusätzlich noch Fernsehen (oder zumindest minimieren), sondern eher Körperwahrnehmungsspiele, wie das Belegen mit schweren Sandsäckchen auf dem Körper (Kind rät,an welcher Stelle der Sack aufgelegt wurde ohne Sichtkontrolle), "Pizza belegen"auf dem Rücken spielen, Himmelhoppe,... Viel Bewegung,also lieber mit dem Rad oder Roller aus der Schule abholen oder einen Spaziergang, als mit dem Auto... Hilfen in der Schule: über propriozeptive Reize wird ermöglicht sich länger zu konzentrieren oder stillsitzen länger auszuhalten:(bitte nach Absprache mit der Lehrerin oder ggf.Beratung/Telefonat zw.Ergotherapeut/in und Lehrer/in): -im Stand auf die Schulbank aufstützen mit den Handballen,sodass die Beine in der Luft baumeln (starker Druck auf die Handgelenke reguliert) -Kaugummi kauen (soviele im Mund,dass es wirklich anstrengt), oder wenn der Geschmack gemocht wird das Kauen auf einer Süßholzwurzel (ähnlich Lakritze,gibt es in Lakritzeläden) oder geschmacksneutraler auf einem Naturkautschukgummischlauch, der z.B.aufs Stiftende gesteckt werden kann: der Druck bei der Kieferarbeit wirkt regulierend -auf dem Stuhl sitzen:ergonomisches Sitzen!Die Füße sollten keinesfalls in der Luft baumeln (zB.bei zu hohem Stuhl),sondern auf dem Boden aufliegen,unterstützt wird dies noch durch ein Keilkissen (leicht schräge Sitzhaltung,um die Füße wegen der propriozeptiven Reize mehr zu belasten), vllt.auch dynamisches Sitzen mittels Luftkissen oder dynamischen Stuhl (falls in Schule vorhanden) -Morgenkreis in Bauchlage oder auf den Unterschenkeln sitzend ermöglichen,um länger ruhig sitzen/liegen zu können/Je mehr Auflagefläche und Druck auf den Körper wirkt,umso eher ist es regulierend und verlängert somit die Konzentration und das Stillhalten - Bewegungspausen ermöglichen - Hand selber im Sitzen am Tisch massieren oder Hände gegeneinander drücken, wenn Kind merkt,dass Sitzen/konzentrieren schwierig wird -vllt.wird auch ein Igelball zur Handeigenmassage beim Sitzkreis erlaubt? - Griffhilfe am Stift erleichtert das Automatisieren der korrekten Stifthaltung (zu beziehen im Internet oder in Ergotherapiepraxen) Wichtig ist es auch,dass Elternberatung in der Ergotherapie stattfindet, welche Maßnahmen können im Alltag angewendet werden,denn es wird sich nur bei täglicher Anwendung etwas verbessern,1x/Woche Ergotherapie allein (ohne Anwendung im Alltag) reicht meist nicht allein. Dem Kind ggf.erklären,woran es liegt,dass ihm das Sitzen und konzentrieren schwer fällt (aufgrund der propriozeptiven Wahrnehmung),bitte Erklärung bei der Ergotherapeutin erfragen und zu verdeutlichen,dass das Kind selbst nichts dafür kann und es auch einigen anderen Kindern so geht,damit das Kind auch versteht,warum es diese Hilfsmittel und Übungen in der Schule und Zuhause anwenden soll und sich selbst beobachtet/berichtet,was hilft gut,was mag es nicht,usw. Ich würde auch nochmal bei der Ergotherapie abklären lassen,ob vllt.eine Überempfindlichkeit gegen Nähe zu anderen vorliegt, es gibt Kinder,die belastet körperliche Nähe zu anderen Kindern mehr und reagieren dann auch aggressiv (hauen/wegschubsen) und generell,ob im sensorischen Bereich Über-oder Unterempfindlichkeiten vorliegen (Weiterbildung sensorische Integration wäre bei der zustaändigen Therapeutin nötig). Die Körperspannung einschätzen lassen. Viele Ärzte verordnen eher,wenn eine vorherige Grenze an Therapieeinheiten vereinbart wurde, z.B.Diagnostik 6-10 Therapieeinheiten,danach eine weitere Verordnung zur Behandlung/Ziele erreichen und dann erstmal eine Therapiepause vereinbaren und schauen,was durch die Therapie und Beratung/Alltagsanwendung hilft und ob noch weiterer Förderungsbedarf vorhanden ist. Dann sehen die Ärzte ein Ende in Sicht und können neu entscheiden, ob weitere Verordnungen nötig sind (mitHilfe des Therapieberichtes),die meisten fürchten eine Langzeitbehandlung ohne Ende,die sich natürlich aufs Heilmittelverordnungsbudget schlägt. Alles Gute
Ellie80
Vielen Dank für Ihre Einschätzung! Die sensorischen Spiele haben wir bereits begonnen, mit Igelball und Sandsäckchen. Karate und Schwimmen macht er schon länger, Auto fahren wir kaum (wohnen in einer Großstadt), Fahrrad und Roller fahren wir täglich. Fernseher gibt es nur am WE. Ich hoffe, die Ergotherapie wird diesmal rezeptiert, an den Kosten kann es nicht liegen, mein Sohn ist privat versichert. LG
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