Elternforum Mehrsprachig aufwachsen

Ist es zu spät?

Ist es zu spät?

Lua388

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Hallo zusammen. Wir haben 15 Monate alte Zwillinge. Mein Mann ist Deutscher, mein Vater ist Italiener. Meine Schwester und ich sind zweisprachig aufgewachsen und da ich das wirklich immer toll fand, dass man die Sprache "einfach so" von klein auf kann, wollte ich das unbedingt auch für meine Kinder. Mein Vater spricht auf unseren Wunsch auch italienisch mit den Kindern. Ich wollte das ursprünglich auch machen, aber ich hab es - Warum auch immer - nicht von Anfang an gemacht und jetzt tu ich mich irgendwie schwer damit bzw. denke dann, dass die beiden mich ja erstmal gar nicht wirklich verstehen!? Denn mittlerweile verstehen sie ja schon sehr viel. Wenn ich sie nun etwas Frage, oder ich etwas sage, sollte ich das dann in beiden Sprachen sagen? Ist es nicht "komisch", wenn ich plötzlich nur italienisch mit ihnen rede? Wir gehen auch in eine Krabbelgruppe. Sollte ich das überall machen, oder wäre es in Ordnung, wenn wir mit anderen zusammen sind, dann deutsch mit den beiden zu sprechen? Ist es überhaupt noch sinnvoll damit zu beginnen, oder bin ich jetzt zu spät dran? Würde mich über Tipps und Erfahrungsberichte sehr freuen. Liebe Grüße und einen schönen Abend.


DK-Ursel

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Antwort auf Beitrag von Lua388

Hej und willkommen hier! Ich finde es gut, daß Du Dich umentschieden hast oder besser gesagt: jetzt Ernst machen willst. Natürlich ist es noch nicht zu spät, aber es ist natürlich auch ein bißchen schwieriger,als wenn Du es gleich durchgezogen hättest. Ich halte wenig von Prinzipien, die hält man meistens nicht eh nicht durch. Muttersprachen kommen ja auch bei einsprachigen Eltern aus dem Bauch heraus, mit dem Gefühl, nicht umsonst rät man immer zur Sprache des Herzens. Ich würde mich in Deinem Fall vorwärts tasten - mal alles nur italienisch sagen, bei anderen Dingen auch mal übersetzen, schauen, wie sie reagieren. Und daß sie anfangs ein bißchen irritiert sind, wenn Mutter plöttzlich anders spricht, ist ja nachzuvollziehen und zu erwraten. Immerhin aber kennen sie die Sprache ja auch durch Deinen Vater, das ist doch auch schon ein Glücksfall! Und ich würde viel auf Italienisch "vorlesen", also Bilderbücher anschauen, bei denen man auch viel benennt. Dadurch gewöhnen sie sich schneller daran, Deine Stimme/Dich mit der ital. Sprache zu verbinden. Und singen. Was Deine Krabbelgruppenfrage angeht: Ich habe es immer so gemacht, daß ich das, was unsere dänische Umgebung auch verstehen sollte, wo sie sich nicht ausgeschlossen fühlen sollte, auf Dänisch gesagt habe. Aber in der Spielgruppe, öffentlich am Sandkasten, in der Musikschule etc. auch mal auf Deutsch rief: "setz bitte die Mütze auf. Hol mal bitte die Schippe her", oder sagte: "Bring das mal in den Mülleimer" Für mich dient Sprache der Kommunikation und nicht der Abgrenzung - ich schließe durch sie keinen aus, sondern möchte, daß meine Kinder sie auch als verbindendes Element udn nicht als Trennwand einsetzen und verstehen. Und diese Wechsel gingen immer sehr gut - auch wenn dänische Kinder zum Spiel kamen oder unsere dän. Verwandtschaft, ging es eben überwiegend auf Dänisch zu und nurso kleine praktische Sachen oder am Büffett die gemeinsamen "Tuschelsachen" (was nimmst du? das sieht ja leckeraus, sollen wir das mal probieren?) fanden dann auf Deutsch statt. Standen wir aber in der Warteschlange oder vor der Tiefkühltheke, wo zwar andere uns hören konnten, aber nicht verstehen mußten, habe ich Deutsch geredet. Verstehst Du? Bei mir kam Höflichkeit dann doch an erster Stelle, aber darüber habe ich auch nicht nachgedacht - das ist so. Und ich glaube, das spielt sich dann auch bei Euch ein. Alles Gute - und erzähl doch dann auch mal, wie es so läuft - Ursel, DK


Lua388

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Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

Vielen Dank für deine Antwort. Das ermutigt mich, es jetzt noch so zu machen. Dann werde ich mal ein bisschen ausprobieren. Mit einzelnen Worten, z. B. Tiere zeigen, hatte ich schon begonnen.


Silvia3

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Antwort auf Beitrag von Lua388

Um einen zu harten Einstieg zu vermeiden, würde ich erst einmal damit anfangen, in Gegenwart des Opas mit den Kindern Italienisch zu sprechen. Vielleicht könnt ihr ja in den nächsten 4 Wochen extra viele Opa-Tage einplanen. Darauf aufbauend würde ich die Zeit, in der du Italienisch sprichst, immer weiter ausbauen und nach ca. 4 Wochen komplett umstellen. Vielleicht ist ja auch ein Italienurlaub in nächster Zeit möglich? Da wird es dir auch leichter fallen, die Sprache mit den Kindern zu sprechen. Viel Erfolg!


Lua388

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Antwort auf Beitrag von Silvia3

Das mit dem Opa ist auch ein guter Ansatz und eine gute Idee. Das werden wir auf jeden Fall so machen, zumal wir den Opa in der Regel sowieso 3-4 x die Woche sehen.


Pamo

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Antwort auf Beitrag von Lua388

Ich habe die Sprache umgestellt, als das Kind 2 Jahre alt war und in die Kita ging - als Gegenpol zur Umgebungssprache. Das war erst mal ganz eigenartig, vor allem für mich. Nach 1-2 Wochen fühlte es sich nicht mehr so unnatürlich an. Mit 14 forderte das Kind übrigens von selber einen Sprachwechsel von mir. Wir sprechen seit einem guten Jahr nur Englisch Zuhause. Das war dann auch erst mal seltsam, aber auch das wurde Normalität. Ganz viel ist möglich.


Lua388

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Antwort auf Beitrag von Pamo

Das ist ja auch toll, wenn die Kinder selbst lernen wollen. Kann ich aber auch nachvollziehen, ich hab ab einem gewissen Alter auch immer nachgefragt um mehr von der Sprache zu lernen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Und schön lesen, dass so vieles möglich ist.


Kacenka

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Antwort auf Beitrag von Lua388

zu spät ist es sicher nicht. Du hast halt nur eine etwas andere Ausgangslage. Ich würde den Opa einspannen und möglichst viele Situationen "herstellen", wo Du mit ihm zusammen bist und ihr italienisch sprecht mit den Kindern. Du wirst ja sehen, wie sie darauf reagieren. Sprechen sie schon selber? Und dann kannst du ja auch probieren, was passiert, wenn Du einfach italienisch weitersprichst. Also zum Beispiel ihr telefoniert über zoom mit Opa und nach dem Telefonat sprichst du weiter Italienisch. Verstehen sie Dich oder nicht? "Akzeptieren" sie den Wechsel? Evtl. schauen sie dich verwundert an? Das merkst du ja an ihrer Reaktion. Und du solltest nicht vergessen, dass bei ihnen "verstehen" noch anders funktioniert als bei Erwachsenen. Bei Kindern wird viel aus dem Zusammenhang der Situation "verstanden". Man sagt. z. B.: "Komm bitte zu mir, ich krempel Dir mal die Ärmel hoch." Sie kommen (das verstehen sie schon) und halten die Arme hin (Ärmel = irgendwas mit Arme). Und dann sehen sie was passiert und verstehen irgendwann auch was "umkrempeln" ist und wie sich Ärmel von Arm unterscheidet... Da sind sie noch mittendrin, in dieser Lernphase. Ich weiss noch, wie meine Mutter mal von Brötchen gesprochen hat und mein Sohn (damals etwa 2 Jahre und im Deutschen deutlich "schwächer") sagte das tschechische Wort für Brot. Also er hat Brot und Brötchen erst mal als eine Kategorie eingeordnet, den genauen Unterschied hat er später gelernt. Das macht Sinn in Sprachen, wo es viele Endungen gibt, denn deren Bedeutung müssen sie sich ja auch nach und nach erschließen. Sie lernen jeden Tag viele neue Wörter - immer aus der Situation heraus, aus dem Zusammenhang. Deshalb ist es bei so kleinen Kindern nicht einfach so, dass sie "nichts" verstehen, weil sie plötzlich eine andere Sprache hören. Denn die Situation ist ja evtl. trotzdem vertraut und bekannt und sie ordnen halt die Wörter und Wendungen nur neu zu, zumal wenn sie evtl. die Satzmelodie schon ein wenig kennen (die wird schon im Mutterleib erworben!) So wird das in Immersionskindergärten noch mit 3 Jahren angefangen oder sogar noch später. Also man wäscht zusammen Hände und sagt dazu: wir waschen jetzt die Hände... So "verstehen" sie innerhalb von wenigen Wochen ziemlich viel von einer neuen Sprache (und bei Euch ist sie ja nicht mal ganz neu, denn sie kennen sie ja schon vom Opa und auch von Dir, als sie in deinem Bauch waren und dich italienisch sprechen gehört haben). Bis die Kinder dann auch selber sprechen, kann es aber einiges länger dauern. Aber davon muss man sich nicht beirren lassen, das ist bei vielen mehrsprachigen Kindern so, auch wenn sie beide oder mehrere Sprachen von Geburt an gehört haben. Alles Gute!


Lua388

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Antwort auf Beitrag von Kacenka

Man (oder besser gesagt, ich) macht sich vielleicht einfach zu viele Gedanken, ohne es versucht zu haben. Vielen Dank für die Ausführung, wie das Verstehen einer Sprache zu Stande kommt. Eigentlich logisch, wenn man es liest, aber das war für mich gut, das nochmal so zu lesen, damit kann ich es auch nochmal aus einer anderen Sichtweise betrachten. Den Ansatz mit dem Opa werde ich verfolgen. Sie sprechen selbst noch nicht. Außer Mama und Papa. Ansonsten sinds nur "Geräusche" wie "amam" (was von trinken über essen, bis hin zu Schnuller bedeuten kann) oder "brumm" oder "a-i" so macht bei beiden der Esel


DK-Ursel

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Antwort auf Beitrag von Lua388

Hej nochmal! Ja, man macht sich oft zu viel Gedanken - am natürlichsten und besten ist es, man agiert gerade beim Sprechen vom Bauch raus. Silvias Idee mit dem Großvater finde ich sehr gut - da wird der Übergang fließender und natürlicher. Zu spät ist es jedenfalls ganz sicher nicht - viel Erfolg--- Ursel, DK


Maxi4.

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Antwort auf Beitrag von Lua388

Wir sprechen grundsätzlich unsere Muttersprache mit unseren Kindern bis sie 3 sind und in den Kindergarten kommen. Nach einer Woche legen sie ihre Muttersprache ab und lernen Deutsch wie Ihre Muttersprache. Überspitzt ausgedrückt, aber es fühlt sich an wie ein A...tritt. Wenn die Muttersprache nicht unter 3 gesprochen wird, vielleicht sogar unter 2, sehe ich keine Chance. Und es ist im Moment alles andere als zu spät bei euch. Nutze deinen Vorteil. Denn auch wenn die Kinder die Sprache vielleicht wieder ablegen, so werden sie sie für immer verstehen und sie in ein paar Jahren dann selbst wieder ausbauen, zum Beispiel, wenn man in der Heimat ist oder Kontakt zu Älteren dazu kommt.