Ananas_27
Liebe Mamas und Papas, Vorab danke fürs Durchlesen meines langen Textes! Ich bin gerade etwas verzweifelt und hoffe daher auf Rat von erfahrenen Betroffenen-Eltern. Mein Sohn ist 6 Jahre alt und im September in die Schule gekommen. Im Kindergarten war er bereits sehr aufmerksamkeitsbedürftig und hat manchmal provoziert und ist aufgedreht, laut Erzieherin war das aber noch im Normalbereich und sie bekam es mit viel 1zu1 Aufmerksamkeit in den Griff. Er hatte dort einige Freunde und war beliebt. Nun kam er in die Schule, kannte niemanden und es ging los mit Konzentrationsproblemen. Dann kam immer mehr Arbeitsverweigerung (Blatt zerreißen etc.) und Unterrichtsstörung, Ablenken anderer Kinder hinzu. Schließlich auch fremdaggressives Verhalten (Schlagen/ Bespucken anderer Kinder, Ärgern von anderen). Gewalt gegen andere ist bei ihm absolut neu. Kognitiv kommt er beim Stoff gut mit. Recht schnell kam von der Schule der Rat zum Besuch eines Psychologen. Hier waren die Lehrerinnen aber noch optimistisch und meinten, wir finden gemeinsam eine Lösung. Wir haben natürlich Mitwirkung zugesichert. Etwas später kam vom (ebenfalls neuen) Hort auch die Empfehlung zu einer Diagnostik (Konzentrationsschwierigkeiten, grundsätzlich ist er beliebt und gut integriert, aber auch hier provoziert er andere Kinder). Wir haben bereits nach der Empfehlung der Schule alles in die Wege geleitet, haben einen Termin zur Diagnostik Ende Januar und auch einen Therapieplatz bei einer Kindertherapeutin. Gestern hatten wir ein Erstgespräch (nur wir Eltern) bei dieser und sie meinte, das Verhalten deute auf ein stark ausgeprägtes ADHS hin. Er wird nun dort die paar probatorischen Sitzungen bekommen, bis eine Diagnose da ist. Die Lage wurde die letzten Wochen nun immer schlimmer, die Lehrerin ist krank und er hat nun bereits die 3. Vertretungslehrerin. Meist zur zweiten Hälfte des Schultages ist er sehr störend. Die Schule lässt ihn mich nun regelmäßig abholen. Er ist dann ganz zerknirscht und wieder „ruhig“ und kann im Nachhinein sehr gut reflektieren und weiß, dass sein Verhalten falsch war. Er schafft es nun meistens sich bis zur Pause „zusammenzureißen“, danach geht es bergab. Er sagt, er hat einen Kasper in seinem Körper und er kann dann nicht mehr. Die Lehrerinnen sagen nun, dass sie nicht weiter wissen und er unbeschulbar sei. Sie hoffen nun auf eine medizinische Lösung, aber da die Diagnostik „erst“ (wobei das wohl schon recht früh ist!) im Januar losgeht, wird sich das ja noch ziehen! Mein Sohn leidet unter dem ständigen negativen Feedback. Er versucht es wirklich jeden Tag. Auch habe ich Sorge, dass er schulisch zurückbleibt durch das viele frühere Abholen. Ich verstehe ja absolut, dass ein Kind nicht die ganze Klasse stören kann und die Lehrerinnen nicht so viel Zeit nur für ihn aufwenden können. Aber nach 2 Monaten zu sagen, man wisse nicht mehr weiter und die Psychiater sollen sich um das Problem kümmern, kann ja auch nicht die Lösung sein. Hat jemand von euch Ähnliches erlebt? Was würdet ihr mir für die nächsten Wochen und Monate raten? Und noch eine Frage. Auch wenn die Diagnose nicht sicher ist, würde ich mich gerne bereits jetzt zum Thema ADHS einlesen. Habt ihr Buch-/ Website-/ YouTube-/ Podcast-/ Doku-Tipps? Vielen lieben Dank im Voraus!
Hallo, erstmal Glückwunsch zum zeitnahen Termin! Das ist super! Natürlich ist es bis dahin noch eine Weile hin und so wie es jetzt ist, ist es eine Quälerei für alle. Gibt es bei Euch sowas wie eine ADHS-Notfall-Ambulanz? Gerne mal bei der nächstgelegenen Uniklinik o.ä. nachfragen. Denn eigentlich muss JETZT etwas passieren. Ich würde beim KJP nachfragen, wie Ihr bis zum Termin verfahren sollt. Wäre es eine Option, ihn zuhause zu lassen (mit ärztlicher Bescheinigung), zuhause den Stoff mit ihm durchzuarbeiten und ihn ggfs. das Schuljahr wiederholen zu lassen? Im Notfall gibt es vielleicht auch die Möglichkeit einer stationären Unterbringung mit Beschulung in einer Klinikschule. Klingt heftig, ist aber zumindest eine Option. Mir selbst wurde gerade das Buch „Erfolgreich Lernen mit ADHS/ADS“ von Stefanie Rietzer und einem Co-Autor empfohlen. Ich hab bis jetzt nur reingeschnuppert, aber es liest sich ganz vielversprechend. Ich wünsche Euch gute Nerven, Ihr habt noch ne ordentliche Strecke vor Euch! Durchhalten und immer wieder vergegenwärtigen, wofür man das alles macht - am Ende lohnt es sich. LG daide
Hallo daide, Danke für deine Antwort! Was meinst du denn, was in einer Notambulanz gemacht werden kann? Die Therapeutin haben wir gefragt. Sie wird mit der Lehrerin telefonieren und das weitere Vorgehen „abstimmen“. Aber ich habe sie so verstanden, dass ohne Diagnose und ggf. Medikamente aktuell nicht viel zu machen ist. Er wird jetzt zwar zu ihr zu Sitzungen gehen (nächste Woche geht’s los), aber ganz ehrlich, da erhoffe ich mir nicht viel davon, denn wie gesagt kann er sehr gut darüber sprechen und reflektieren, aber in der Situation nützt ihm das bislang nicht viel. Aber wer weiß, vielleicht kann sie ihm die ein oder andere Strategie mitgeben. Auch haben wir die Sozialpädagogin der Schule eingebunden, zu der er mal während des Unterrichts zum Erlernen einer „Fähigkeit“ gehen kann (zB auf dem Stuhl sitzen bleiben o.ä.). Zuvor wird sie sich aber mal einen Schultag in die Klasse setzen und das Verhalten objektiv beobachten. Ich denke, dass die Schule uns früher oder später mit einer Kurzbeschulung (nur 2 Stunden Schule täglich) kommen wird. Weil eben ständig das Stichwort „unbeschulbar“ kommt. Davor habe ich aber großen Respekt, weil ich nicht weiß, wie ich ihm den Stoff - gerade die Mathematik Grundlagen - begreiflich kann. Bin da leider auch nicht soo geduldig… aber vielleicht wäre es tatsächlich das Beste für ihn, da so bei der zweiten Schulhälfte ja auch nichts hängen bleibt. Danke auch für den Buchtipp. Liebe Grüße!
Hallo, entschuldige die späte Antwort, ich guck erst jetzt wieder hier rein. Bei der Ambulanz ging es mir in erster Linie darum, einen Ansprechpartner zu haben, sich austauschen zu können. Du kannst schildern, wie es Euch gerade geht und welche Sorgen und Nöte Ihr habt. Gut, dass Ihr die Therapeutin erreicht habt und mit ihr sprechen konntet. Gut auch, dass sie mit der Schule kommuniziert. Leider stellen sich die Schulen das oftmals sehr viel einfacher vor als es tatsächlich in der Umsetzung klappt. Mein Credo ist und bleibt: Druck rausnehmen, wo immer es geht. Ich weiß, dass Schule, Bildung, Zukunftschancen meist in einem Atemzug genannt werden und oft versucht wird, AD(H)S-Kinder in die vorhandene Schablone zu pressen. Das funktioniert bei manchen, bei den meisten aber nicht. Und: Das ist nicht schlimm, auch wenn es einem in der Situation so vorkommt. Ja, es kostet Unmengen an Kraft. Ja, oft verzweifelt man. Aber es ist kein Beinbruch, wenn ein Kind zurückgestellt wird, eine Klasse (oder im Lauf der Zeit auch zwei) wiederholt oder eine andere Schulform als das Gymnasium besucht. Gebt Euch die Zeit, die Ihr braucht. Vieles wird besser mit der Zeit. Aber es zieht sich. Alles Gute & liebe Grüße daide
Kann es sein, dass Euer Sohn in der Schule unterfordert ist? In der Grundschule sitzen auch die Kinder, die später eine Hauptschulempfehlung bekommen, und die müssen ebenfalls die Grundlagen lernen. Das heißt, für die fitten Kinder ist das Tempo häufig zu langsam. ADHSler sitzen das leider oft nicht einfach aus, sondern werden sehr unleidlich. Es gibt aber auch hochbegabte Kinder, die bei Unterforderung aus lauter Frust ADHS-artige Symptome entwickeln. Eure Lehrerin könnte probieren, Eurem Sohn anspruchsvollere Arbeitsblätter zu geben und schauen, welchen Effekt das hat. Was wohl auch einige Lehrer machen, ist, die Kinder kurz raus zu schicken, damit sie eine Runde über den Schulhof rennen, um sich abzureagieren. Was ebenfalls funktioniert, ist, den Kindern im Unterricht etwas zu erlauben, was nicht stört, wie z.B. auf ein Blatt kritzeln oder einen Stressball kneten (ok, bei so kleinen Kindern weiß ich nicht, ob der nicht die halbe Zeit runter fällt und Unruhe verursacht), um Energie loszuwerden. Die Hort-Zeiten würde ich so kurz wie möglich halten. ADHSler sind schnell durch die Reize des Schul- und Hortalltags überfordert. Ansonsten wäre es gut, wenn er einer Aufsicht zugeteilt würde, die klar Regeln und Konsequenzen kommuniziert und durchsetzt, dabei aber fair ist und freundlich, wenn das Kind kooperiert. Larifari läuft bei diesen Kindern nicht. Die Regeln und Konsequenzen müssen von der anwesenden Person kommen. Zu Hause kannst Du Deinem Sohn vorbeten, was Du willst, wenn die Kinder in der Schule vor Person x stehen, denken die nicht daran. Dass er abgeholt wird, ist Deinem Sohn vermutlich ganz recht oder zumindest egal, oder? Das war bei unserem Sohn auch so, ist also absolut kontraproduktiv von Seiten der Schule. Die Inklusion besteht in den Schulen meistens nur auf dem Papier. Die meisten Lehrer haben keine Ahnung von ADHS oder ähnlichem und auch keine Kapazitäten, auf solche Schüler einzugehen. Die wollen das "Problem" nur loswerden. Unser Sohn hat ähnliche Probleme, wie Eurer, zu Beginn der 2. Klasse gemacht. Er hat ADHS und autistische Züge und ist vom IQ her knapp unterhalb der der Hochbegabung. Eine Doku von Eckart von Hirschhausen für Leute, die noch nicht wirklich etwas über ADHS wissen, fand ich gut gemacht. https://www.ardmediathek.de/video/hirschhausens-check-up/hirschhausen-und-adhs/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2hpcnNjaGhhdXNlbnMtY2hlY2stdXAvMjAyMy0xMC0zMF8yMC0xNS1NRVo Da geht es hauptsächlich um Erwachsene, aber deren ADHS-Gehirne funktionieren nicht anders, als bei Kindern. Die können nur besser in Worte fassen, wo es hakt. Diese Seite finde ich gut: https://www.adhspedia.de Man sollte auf jeden Fall Texte meiden, wo steht, dass ADHS sich auf jeden Fall auswächst oder dass man mit ADHS keine hohen Bildungsabschlüsse erreichen kann. Die sind veraltet. Auch, wenn Autismus und ADHS als sich ausschließend bezeichnet wird, ist der Text veraltet. Spezielle Foren können hilfreich sein.
Danke für deine Antwort! Meiner Einschätzung nach ist er schon schlau, aber noch im Durchschnitt. Es ist nicht so, dass er alles von allein versteht und schwierigere Mathe Aufgaben aus dem Nichts beherrscht. Ich habe da aber auch keinen Vergleich, sondern sehe nur, dass er die Hausaufgaben inhaltlich ganz gut wuppt. Was ich aber schon beobachte, dass er total frustriert ist von Aufgaben wie ein ganzes Blatt voller „P“ und „p“ schreiben, Sachen ausmalen, etc., das ist ihm unliebsam und er hat keine Lust drauf. Was ihm unsinnig erscheint, mag er nicht. Mathe macht ihm viel Spaß. Von einer Lehrerin hat er so ein Delfin-Heft bekommen, in dem er Wörter nach Bildern schreiben muss. Das hat in den Situationen, in denen er aufdreht, aber auch nicht geholfen. Zudem macht er ja zu Beginn des Schultages durchaus im Unterricht gut mit. Dass ihm das Abholen recht ist, glaube ich nicht (obwohl ich diese Sorge auch hatte, dass er damit „belohnt“ wird), aber es ist ihm recht egal, das stimmt. Unsere Enttäuschung darüber allerdings nicht. Er ist aber sehr frustriert, dass ich ihn dann zuhause die versäumten Arbeiten nachholen lasse und dass das dann einfach viel ist. Bezüglich deiner Vorschläge für den Unterricht: Den Knautschball (mit Reis gefüllt) hat er auseinandergenommen… das mit den Kritzeln könnte ich vorschlagen. Alleine rausschicken werden sie wegen der Aufsichtspflicht nicht wollen. Man hat auch mal in so einer Situation versucht, ihn vor die Tür zum Beruhigen zu schicken, da hat er dann weiter alleine Blödsinn gemacht. Er bräuchte in so einem Moment einen Erwachsenen, mit dem er aus der Situation geht und sich begleitet beruhigt. Ich habe eben auch das Gefühl, dass er für die Schule anstrengend und unbequem ist und er einfach abgeholt oder schnellstmöglich mit Medikamenten ruhig gestellt wird. Es sind einige wilde Jungs in der Klasse, die dann mitmachen oder seinen „Quatsch“ lustig finden, das ist wirklich schwierig für die Lehrkraft. Und wegen des Hortes… eigentlich sind wir auf den schon angewiesen. Aktuell geht es aufgrund Elternzeit mit dem Abholen, aber wir hatten unglaubliches Glück mit dem Platz und irgendwann muss/will ich auch wieder mehr arbeiten und der Platz wäre dann weg. Und eigentlich ist es dort ja auch schön für ihn, er hat da Kinder, die ihn mögen und viel Bewegung/ Fußball im Garten. Ich finde zudem, dass er da die Hausaufgabenzeit (immerhin eine Stunde) gut packt, da sich da auch mal jemand neben ihn setzt oder erinnert. Er hat da einen Einzelplatz mit wenig Ablenkung und er sagt auch selbst, er macht da lieber Hausaufgaben als daheim. Dass das soziale Miteinander dort auch natürlich Stress für ihn ist, ist klar. Das fällt ihm m.E. aber leichter als das viele ruhige Sitzen im Unterricht. Die Hirschhausen-Doku habe ich gesehen und die hat schon Mut gemacht. Danke für den Websiten-Tipp. Ich möchte mich einfach gerne informieren, wie ein ADHS Gehirn funktioniert und welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Liebe Grüße an dich!
Und wegen der Zeiten im Hort: ich biete ihm immer an, ihn zur frühestmöglichen Zeit (15.30 Uhr am Ende der Hausaufgabenzeit) zu holen, das will er dann in der Früh auch meistens. Dann ist er aber am Spielen und will doch länger bleiben
Bis ihr mit diagnostik durch seid und die Therapie Wirkung zeigen kann, ist das halbe Schuljahr rum. Wenn die Schule mitzieht, probiert evtl direkt ein paar Maßnahmen aus. Das ist zum Beispiel Stehtisch, wackelkissen, spinner, Kopfhörer oder auch, das der Lehrer das Kind losschickt, eine runde die Treppe rauf und runter zu laufen (Bewegung+ reizreduzierung zum durchatmen), wenn er unruhig wird.
Danke für deine Ideen!
Hallo, ich kann Deine Sorge sehr gut verstehen. Unser Sohn, mittlerweile 8 Jahre und in der dritten Klasse, hat auch einiges mitgemacht. Wir natürlich auch - viele schlaflose Nächte. Mein Mann hat bereits im Kindesalter die Diagnose ADHS bekommen. Seine Schullaufbahn war unterirdisch und er hat nun im Erwachsenenaltern die typischen Probleme inklusive Depressionen. Seine Mutter hat Medikamten strikt abgelehnt. Als Erwachsener hat er selber es nie geschafft, sich therapieren zu lassen, trotz viel Streit usw. Ich habe mir immer vorgenommen, dass ich es bei meinem Sohn nicht so weit kommen lassen werde. Bereits als 2jähriger gab es Probleme bei der Tagesmutter, dann auch im Kindergarten. Das Problem war, dass alle ihn für sehr schlau hielten, einschließlich des Kinderarztes, der keinen Handlungsbedarf sah. Er hat sehr früh perfekt gesprochen, nie grammatikalische Fehler macht, konnte auch sonst alles sehr früh,wirkte immer älter und galt als unterfordert. Uns wurde dringend angeraten, ihn ein Jahr eher einschulen zu lassen. Das habe ich wegen der Probleme abgelehnt. Außerdem wäre er direkt im ersten Coronajahr eingeschult worden, so dass viel HomeSchooling angefallen wäre. Ich denke, in der Grundschule ist die Didaktik unheimlich wichtig, so dass es für mich auch ein Grund war, ihn ganz regulär einschulen zu lassen. Sein Geburtstag ist im Frühling, so dass er ohnehin einer jüngeren Kinder war. Das Schlimme war, dass mich als Mutter niemand ernst genommen hat, mein Sohn litt, weil er wegens eines Verhaltens nur Ärger bekam und schon mit 6 Suizidgedanken äußerte. Da war es mir dann egal. Ich habe eine Psychiaterin gefunden, der ich das Problem zunächst schriftlich schildern konnte, so dass sie aufgrund des Leidesdrucks auf eine Empfehlung/ Überweisung des Kinderarztes verzichtete. Lange Rede, kurzer Sinn: laut Testung ist mein Sohn wirklich schlau, aber die Konzentration/ Aufmerksamkeit ist komplett das Gegenteil. In der Schule passte dann auch alles zusammen. Keine Konzentration, obwohl er alles konnte. Er wurde mit den Aufgaben nicht fertig. Hausaufgaben haben oft 2 Stunden gedauert, weil er aus dem Fenster sah und über alles andere nachdachte. Ich muss die ganze Zeit daneben sitzen, damit er überhaupt arbeitete. Ich selber war natürlich auch oft ungehalten und habe ihn leider auch ungerecht behalten. Die Lehrer waren oft ungehalten, weil sie meinten, er würde doch alles können, seine Leistungen seien gut, aber sein Verhalten schwierig. Man müsse ihm alles 10x sagen (dann gab es Ärger, mein Sohn hat diese Aufforderungen aber gar nicht mitbekommen). Keine Struktur, Chaos auf dem Tisch (so dass er einen Einzelplatz bekam). Dazu kommt, dass seine Klasse insgesamt sehr unruhig ist und das Sozialverhalten vieler Kinder wirklich unterirdisch ist. Wir haben beide hart gearbeitet. Mein Sohn hat alles mitgemacht, Konzentrationstraining zu Hause, Marburger Konzentrationstraining im Kurs, Ergotherapie ... . Ich selber bin zum Elterntraining gegangen - mehrere Monate. Ich habe versucht, Strukturen für meinen Sohn zu schaffen - das fing mit Wäscheklammern im Ranzen an. Rote Wäscheklammer an der Hausaufgabe vom Deutschheft z. B., so dass er im Unterricht nicht konfus suchen musste uns sich wieder den Missmut der Lehrerin zuzog. Nach einer Weile klappte es ohne, weil sich diese Struktur bei ihm im Kopf gebildet hatte (sage ich jetzt mal laienhaft). Kurz vor Schluss des Halbjahres 2. Klasse waren wir beide sehr kaputt. Ich habe dann beschlossen, das ich es mit Medikamenten probieren möchte. Mein Mann war zunächst dagegen, hat dann aber zugestimmt. Wir mussten dann noch einige Testungen durchführen lassen, aber dann ging es los. Gleich am ersten Tag mit Medikamten hat er seine Aufgaben im Unterricht vollständig erledigen können, seine Hausaufgaben waren innerhalb weniger Minuten erledigt. Wir waren so überrascht, dass wir dann gar nicht wussten, was wir mit dem Tag anfangen sollten :-). Die Dosis wurde nach 2 Wochen einmal erhöht, ist aber immer noch im unteren Bereich. Sie genügt, damit mein Sohn über den Tag kommt. Liegt mal mehr an, können wir auch etwas erhöhen. Er nimmt das Medikament seit ca. 10 Monaten und wir sind komplett baff, wie sich alles verändert hat. Der letzte Elternsprechtag war super. Er gehört zu den besten der Klasse, hält sich an alle Klassenregeln, ist organisiert, ... .Seine Lehrerin sagte, er können stolz auf sich sein. Lediglich mit den Mitschülern gibt es in Bezug auf die Integration in den Klassenverband noch Probleme. Allerdings wurde uns gesagt, dass die Klasse insgesamt schwierig sei und es kein Einzelfall wäre. Die Sozialarbeiterin meinte auch, er wäre kopfmäßig sehr weit und denke sehr differenziert, was eben auch mal zu Problemen mit Mitschülern führen kann, die nicht so seien. Wir haben ganz viel geschafft, was uns aber noch bevor steht, ist eine Therapie bei einem Kinder- und Jugendpsychologen. Mein Sohn hat wenig Selbstwertgefühl, was man jetzt deutlich merkt. Einen Therapieplatz haben wir noch nicht gefunden, bis es klappt, wird er von einer Heilpädagogin als Zwischenlösung behandelt. Was ich mit diesem langen Beitrag sagen möchte: Bitte lass Dein Kind untersuchen und entsprechend testen. Nicht jedes Kind, dass sich im Unterricht daneben benimmt, ist unterfordert. Möglicherweise hat er ein ganz anderes Problem, das er in seinem Alter noch gar nicht beschreiben oder benennen kann. Selbst wenn Kinder sehr intelligent sind, kann es sein, dass sie an anderer Stelle Probleme haben und diese Fähigkeiten z. B. aufgrund der Konzentrationsprobleme nicht nutzen können. Es gibt nicht schwarz oder weiß, sondern eine Menge Farben dazwischen. NIcht zu unterschätzen sind in jedem Fall die psychischen Auswirkungen, die entstehen können. Mein Sohn fühlt sich aktuell unterfordert und insgesamt hatten die Leute, die uns eine frühere Einschulung empfohlen haben, recht. Ich hatte aber auch recht, dass da ein Konzentrations- und Aufmerksamkeitsproblem besteht. Hätte man mir früher zugehört und mich ernst genommen, hätte ich viel eher etwas bewegen können und die Probleme wären gar nicht so arg geworden. Es müssen nicht zwangsläufig Medikamente sein. Bei meinem Sohn war es der Befreiuungsschlag, bei anderen reicht vielleicht eine Ergotherapie o. ä.. Nach dem Erfolg, den mein Sohn jetzt zuverzeichnen hat, hat mein Mann sich übrigends auch zu einer Therapie entschlossen. Ich wünsche Dir und Deinem Sohn alles erdenklich Gute und hoffe, dass Ihr bald eine Lösung findet.
Liebe Trixie, Vielen Dank für deine Erfahrungen! Das klingt wirklich nach einem harten Weg bei euch. Wir werden auf jeden Fall die Diagnostik machen und hoffen, schnell etwas zu finden, das ihm hilft.