Kortisontherapie bei Frühgeborenen

Prof. Dr. med. Michael Zemlin Frage an Prof. Dr. med. Michael Zemlin Kinderarzt und Neonatologe

Frage: Kortisontherapie bei Frühgeborenen

Guten Abend Herr Prof. Dr. Zemlin, Den 19.05 hatte ich eine Ablösung der Plazenta in der 28+1 SSW und leider blieb keine Zeit für die Lungenreife. Mein Sohn kam mit 1120g auf die Welt. Erst nach drei Stunden wurde er auf eine Neonatologie 100km weiter weg transportiert. In den drei Stunden wurde er mit CPap beatmet. Wir sind froh dass wir beide überlebt haben, jedoch kommt zu der gesamt schweren Situation die Tatsache dass wir uns in Polen befinden und die Verständigung mit der Klinik meistens über Google Übersetzer läuft. Er hatte anfangs eine rasche Verbesserung der Atmung und die Ärzte haben überlegt die intubation nach einer Woche zu entfernen, daraufhin folgte leider eine Verschlechterung und es war eine Oszillationsbeatmung notwendig. Bereits auf dem ersten Röntgen am ersten Tag sah man ein Lungenemphysem, es lässt darauf schließen dass er eine BPD entwickelt hat, die jedoch laut Aussage des Personals nicht gravierend sei. Nach 1,5 Wochen mit der hochfrequenzbeatmung verschlechterte sich der Zustand, er schwankt zwischen 35-45% sauerstoffzufuhr und ist momentan auf Stufe 10 ( ich denke es ist der druck). Heute Abend bekamen wir die Information dass eine kortisontherapie notwendig sei, es aber sehr schlecht wäre, weil diese sehr viele Nebenwirkungen hat. Wir wissen jetzt nicht weiter und können uns schlecht verständigen. Wie hoch ist das Risiko der Nebenwirkungen wenn man es niedrig dosiert über 10 Tage verabreicht? Was ist das Beste in dem Fall? Eine BPD soll auch Entwicklungsstörungen verursachen und auch im weiteren Verlauf negativ sich auf die Gesundheit auswirken wenn sie nicht behandelt wird. Welche Dosis der Medikamente über welchen Zeitraum ist am sinnvollsten? Im welchen Alter/Tage nach der Entbindung vertragen Frühgeborene am besten diese Therapie? Ich bin ihnen sehr dankbar für jeden Ratschlag. Mit freundlichen Grüßen Natali

von Natali06 am 13.06.2023, 22:29



Antwort auf: Kortisontherapie bei Frühgeborenen

In dieser schwierigen Situation müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Die Frage, ob und wie eine beginnende Bronchopulmonale Dysplasie mit Corticoiden optimal behandelt werden sollte ist offen. Es gibt mehrere Präparate unterschiedlicher Wirkstärke. Bei einer deutlich beeinträchtigen Lungenfunktion - so wie Sie es beschreiben - würden viele Neonatologen Hydrocortison oder Dexametason geben. Ich würde den Behandelnden KollegInnen vertrauen, wenn sie zu einer Behandlung raten. Unter dieser Behandlung verbessert sich oftmals die Lungenfunktion und die Beatmung kann reduziert werden. Je weniger intensiv die Beatmung ist, desto weniger mechanische Belastungen entstehen für die Lunge. Die beginnende BPD hat eine entzündliche Komponente, die vermutlich durch die Corticoidgabe abgeschwächt wird. Angesichts der offenen wissenschaftlichen Fragen muss jedoch im Einzelfall entschieden werden und es gibt kein Therapieregime, das nachweislich optimale Ergebnisse liefert.

von Prof. Dr. med. Michael Zemlin am 30.06.2023