Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

tagsüber lieb und schlafen - abends schreien und viel trinken

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: tagsüber lieb und schlafen - abends schreien und viel trinken

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Hallo, meine Tochter Lisa ist 12 Wochen alt, ist allerdings 7 Wochen zu zeitig geboren. (1989 Gramm, 45,5 cm). Sie hat aber gut aufgeholt und wiegt jetzt 4900 Gramm und ist fast 60 cm. Ich stille aller 4 Stunden (ca. 120-170 ml). Sie ist ca. eine Stunde wach. Den Rest schläft sie meist. Abends ab 20 Uhr bis Mitternacht ist sie dann putzmunter, schreit viel und trinkt ohne Ende. Erst die Brust (120-170 ml), dann aufgetaute Muttermilch oder Aptimil 1. Insgesamt sind es dann so an die 300 ml. Sie läßt sich kaum durch kuscheln oder spielen beruhigen. Sie schläft dann von Mitternacht bis 5 Uhr, trinkt 20 Minuten und schläft bis 8 Uhr. Meine Frage: Schläft sie für ihr Alter tagsüber zuviel? Was kann man gegen dieses "Theater" jeden Abend tun? Trink sie zuviel? Kann ich noch sättigendere Nahrung geben? Danke. Anja


Biggi Welter

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? Liebe Anja, das Verhalten Ihrer Tochter ist vollkommen normal für ein Baby in diesem (korrigierten) Alter. Sie schläft auch keineswegs tagsüber zu viel und es ist weder sinnvoll noch notwendig am Abend „sättigerende" Nahrung zu geben, denn das Schlafverhalten ließe sich dadurch nicht wirklich positiv verändern. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Es kann aber auch zu anderen Tageszeiten zu solchen Phasen kommen. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Nicht zu vergessen ist auch die Bedeutung des non-nutritiven Saugens, des Saugens, das nicht der Ernährung dient. Die Verlockung kann groß sehr groß sein, dazu einen Schnuller anzubieten, aber die Risiken, die der Schnuller mit sich bringen kann, sollten dabei nicht unterschätzt werden. Wenn Sie nun am Abend zusätzlich abgepumpte Milch oder künstliche Säuglingsnahrung geben, so wird der Brust vorgegaukelt, dass am Abend ein geringerer Bedarf besteht als es tatsächlich der Fall ist. Es wäre daher günstig, wenn Sie diese zusätzliche Nahrung schrittweise abbauen und das Kind dafür anlegen, so dass die Brust sich auf den tatsächlichen Bedarf einstellen kann. Es ist auch inzwischen nicht mehr notwendig, dass Sie Ihr Kind ständig wiegen. Es reicht aus, wenn Sie auf die Anzeichen für ein gut gedeihendes Baby achten: • mindestens fünf bis sechs nasse Wegwerfwindeln hat (um zu sehen wie nass „nass" ist, können Sie sechs Esslöffel Wasser auf eine trockene Windel geben). Diese Regel gilt aber nur für voll gestillte Kinder, das heißt das Baby bekommt nichts außer Muttermilch (kein Wasser, Tee, Saft usw.). • in den ersten sechs Wochen täglich mindestens zwei bis vier Stuhlentleerungen (später sind seltenere Darmentleerungen normal) • eine durchschnittliche wöchentliche Gewichtszunahme von mindestens 110 g pro Woche ausgehend vom niedrigsten Gewicht (mit zunehmendem Alter verringert sich die durchschnittliche Gewichtszunahme), • eine gute Hautfarbe und eine feste Haut, • Wachstum in die Länge und Zunahme des Kopfumfangs • ein aufmerksames und lebhaftes Verhalten des Babys in den Wachphasen. Dies sind die Kriterien für ein gut gedeihendes Baby. Vergessen Sie auch nicht, dass nicht jede Unruhe und jedes Quengeln Hunger bedeutet. Gerade die viel verbreitete Unruhe am Abend ist nicht nur Hunger. Zu anderen Zeiten kann das Baby gut gelaunt sein, und es scheint keinen besonderen Grund und keine Gegenmittel (außer der Zeit) für diese Unruhephasen zu geben. Das Baby scheint sich nicht so unbehaglich wie bei Koliken zu fühlen, ist aber unzufrieden. Ist das bei euch auch so? Im Volksmund wird das die „Omastunde" genannt, d.h. dass jetzt eine liebevolle Großmutter gebraucht wird, die nichts Dringenderes vorhat, als das Baby zu wiegen und im Arm zu halten, bis seine Unruhe vorbei ist. Leider ist so eine Großmutter nicht immer verfügbar und der Vater des Babys ist auch nicht unbedingt zu diesen Zeiten zuhause. Doch es kann für Sie und das Baby eine große Erleichterung bedeuten, wenn jemand anderes dann einspringt. Der Wechsel in andere liebevolle Arme, die ausgeruht sind und eine andere liebevolle Stimme bewirken oft, dass sich ein aufgebrachtes Baby beruhigt. Vielleicht können sie dann in Ruhe unter die Dusche gehen, einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft machen oder sonst etwas für sich tun. Die Unruhe und das Weinen sind nicht selten darin begründet, dass das Kind Probleme hat, sich in seinem neuen Leben außerhalb des Bauches zurecht zu finden. Als Mutter ist frau dann bemüht alles Mögliche zu tun, um das Kind zu beruhigen und genau dieses „alles Mögliche" kann die Falle sein. Oft ist weniger hier deutlich mehr. In dieser Situation ist - so schwer es auch fällt - Ruhe das alleroberste Gebot. Keine großen Aktionen und nicht ständig etwas neues ausprobieren, sondern das Kind mit viel Ruhe und möglichst wenig Aufhebens zu beruhigen versuchen. Vor allem, wenn die Mutter - was ja nur zu verständlich ist - angespannt ist, dann ist es vorteilhaft, wenn vielleicht der Partner das Kind nimmt, der weniger aufgeregt ist (oder eben die oben erwähnte Großmutter oder eine andere Person einspringt). Der Punkt ist, dass der Fokus vom Kind genommen wird, dass sich nicht mehr alle Anspannung auf das Kind konzentriert und es so die Gelegenheit bekommt, sich wieder zu entspannen und zu beruhigen. Der Teufelskreis der Anspannung, die sich auch bei den Eltern aufbaut und so das Kind immer unruhiger werden lässt, muss durchbrochen werden. Das kann manchmal auch dadurch erfolgen, dass das Baby auf eine Decke gelegt wird und die Mutter oder der Vater es durch unaufgeregtes, leises Sprechen und sanftes Streicheln beruhigt. Anschließend, wenn Sie etwas „Luft" für sich hatten, können Sie mit „neuer Kraft" in die nächste Runde des abendlichen „Marathonstillens" gehen. Denken Sie auch daran, dass durch dieses gehäufte Stillen am Abend, die Prolaktinausschüttung angeregt wird und damit Ihre Milchmenge gut aufrecht erhalten bleibt. Falls niemand da ist, der einspringen kann, kann ein ausgiebiger Spaziergang mit Kind im Tragetuch sehr hilfreich sein. Einfach mit dem Kind raus, die Gedanken baumeln lassen und dabei frische Luft tanken. Mit zunehmendem Alter werden diese abendlichen Schrei- und Unruhephasen dann weniger und bis dahin heißt es Ruhe bewahren und sich selbst immer etwas Gutes gönnen, damit die schwierigen Phasen besser zu überstehen sind. Vielleicht besuchen Sie einmal ein Stillgruppentreffen. Der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr hilfreich sein, vor allem, wenn frau dann erlebt, dass sich ihr Baby genau so verhält wie die Mehrzahl aller anderen Babys auch. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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