Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Plötzliches Schreien nach langer Cluster-Phase

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Plötzliches Schreien nach langer Cluster-Phase

hatcheepuh

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Hallo, meine kleine Maus ist nun 1 Monat alt und ich stille sie voll und nach Bedarf. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten (kaum Anleitung im Krankenhaus und schlechte Stillberatung, wir wurden als Rabeneltern dargestellt, weil wir kein Fläschchen geben wollten usw..., wunde Brustwarzen, starke Ansaugschmerzen in den ersten Wochen, Schmerzen durch Milchbläschen) klappt es jetzt endlich ganz gut und vor allem schmerzfrei. Amelie nimmt auch sehr gut zu (Geburtsgewicht 3550g, jetzt wiegt sie 4500g). Tagsüber hat sie normalerweise einen Rhythmus von 2-4 Stunden und abends fängt sie fast immer das clustern an. Das kann sehr lange gehen, teilweise auch mal um die 5 Stunden. Seit einigen Tagen fängt sie jedoch ganz plötzlich während des Stillens an herzzerreißend zu Schreien. Sie lässt sich dann schwer beruhigen, wir tragen und schuckeln sie umher, sie will scheinbar an die Brust, schreit die Brust dann aber doch wieder an... Unsere Hebamme meint, sie hätte dann vermutlich vom langen Clustern Bauchweh (sie schluckt oft auch viel Luft). Ihr Tipp ist, das Stillen nach maximal 2-3 Stunden zu unterbinden, in dem wir ihr dann einen Schnulli anbieten. Irgendwie ist mir aber nicht wohl dabei, denn nach dem, was ich mir zum Stillen angelesen habe, soll man in das Nachfrage-Angebot-Prinzip doch möglichst nicht eingreifen... oder gilt das nicht so starr, wenn das Kind so viel zunimmt? Kann sie sich wirklich "überfressen"? Deuten wir ihre Hungerzeichen vielleicht falsch und sie hat eigentlich gar keinen Hunger, sondern nur ein Saugbedürfnis? Würde sie die Brust ablehnen, wenn sie satt ist? Zum anderen bin ich mir auch so unsicher, ob wir ihr überhaupt einen Schnulli anbieten sollen. Nachdem wir so ums Stillen gekämpft haben, habe ich große Angst, wieder etwas "kaputt" zu machen. Andererseits ist es natürlich schon praktisch, wenn man die Schreiattacke so verhindern könnte und es eine andere Einschlafhilfe gäbe, statt sie immer herumzutragen (beim Stillen schläft sie nicht unbedingt immer ein). Vielen Dank schon mal für ihren Rat und ihre Hilfe!!


Biggi Welter

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Liebe hatcheepuh, Babys in diesem Alter haben oft eine geradezu „klassische“ Unruhephase am Abend. Nicht immer ist Stillen dann die Lösung. Diese unruhige Zeit ist so verbreitet, dass es im englischen Sprachraum sogar einen Ausdruck dafür gibt: Omastunde , d.h. dass jetzt eine liebevolle Großmutter gebraucht wird, die nichts Dringenderes vorhat, als das Baby zu wiegen und im Arm zu halten, bis seine Unruhe vorbei ist. Leider ist so eine Großmutter nicht immer verfügbar und der Vater des Babys ist auch nicht unbedingt zu diesen Zeiten zuhause. Doch es kann für dich und das Baby eine große Erleichterung bedeuten, wenn jemand anderes dann einspringt. Der Wechsel in andere liebevolle Arme und eine andere liebevolle Stimme bewirken oft, dass sich ein aufgebrachtes Baby beruhigt. Vielleicht kannst Du dann in Ruhe unter die Dusche gehen, einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft machen oder sonst etwas für dich tun. Bei den meisten Babys legt sich dieses Verhalten Gott sei Dank, wenn sie etwa drei Monate alt sind. So schwer es auch fällt, es ist wichtig, in dieser Situation nicht in Hektik und Aufregung zu verfallen. Je mehr Du versuchst um das Kind zu beruhigen und je hektischer Du wirst, um so aufgedrehter kann auch das Baby werden und dann ist man schnell in einem Kreislauf, der nur mehr schwer zu durchbrechen ist. Weniger ist hier oft mehr. Der Punkt ist, dass der Fokus vom Kind genommen wird, dass sich nicht mehr alle Anspannung auf das Kind konzentriert und es so die Gelegenheit bekommt, sich wieder zu entspannen und zu beruhigen. Der Teufelskreis der Anspannung, die sich auch bei den Eltern aufbaut und so das Kind immer unruhiger werden lässt, muss durchbrochen werden. Das kann manchmal auch dadurch erfolgen, dass das Baby auf eine Decke gelegt wird und die Mutter oder der Vater es durch unaufgeregtes, leises Sprechen und sanftes Streicheln beruhigt. Manche Eltern setzen sich in dieser Situation sogar mit ihrem Kind ins Auto und fahren ein paar Kilometer :-). Wenn Du das Gefühl hast, dass dein Kind saugen möchte, aber keine Milch mehr mag, kannst Du entweder über einen längeren Zeitraum immer die gleiche Brust anbieten (aus der die Milch dann nicht so stark fließen wird) oder aber Du bietest ihm einen Finger (das muss nicht unbedingt dein Finger sein, Väter haben auch Finger und können Babys tragen) zum Saugen an. Den Schnuller würde ich in diesem Alter nicht geben, da er zu einer Saugverwirrung führen kann. Ein Schnuller ist kein zwingend notwendiger Bestandteil der Babyausstattung (eben so wenig wie die Flasche). Es ist auch nicht das Baby, das den Schnuller braucht, sondern es sind die Eltern, das sollte sich jede Mutter und jeder Vater bewusst machen. Beim Schnuller handelt es sich um nichts anderes als um eine Brustattrappe, eine Kopie. Und nun ist es eben so, dass eine Kopie nie wirklich das Original vollständig erreicht und das gilt auch und besonders für den Schnuller. Diese Attrappe kann manchmal sinnvoll und hilfreich sein, wenn sie überlegt und wohl dosiert eingesetzt wird. Aber Eltern sollten sich auch der Nebenwirkungen des Schnullers bewusst sein: • Schnuller sind künstliche Sauger und können beim Baby zum falschen Saugen an der Brust führen. Diese sogenannte Saugverwirrung kann ernsthafte Stillprobleme nach sich ziehen. • Durch Schnuller wird die Zeit, die das Baby an der Brust der Mutter verbringt eingeschränkt, was die Milchbildung der Mutter negativ beeinflussen kann. • Kinder ohne Schnuller erkranken seltener an Mittelohrentzündungen. • Schnullergebrauch kann Kieferfehlstellungen begünstigen. • Schnullergebrauch kann zu einer ungünstigen Mundatmung führen. Eine offene Mundatmung führt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und kann Haltungsprobleme begünstigen. • Kinder, die einen Schnuller hatten, brauchen häufiger eine logopädische Behandlung Ein Aspekt, der auch nicht zu vernachlässigen ist, ist, dass Eltern dem Kind den Schnuller zunächst angewöhnen und dann (nach einer mehr oder weniger langen Zeit) wieder abgewöhnen. Das Abgewöhnen des Schnullers kann sehr nervenaufreibend für alle Beteiligten sein. Ein „schnullerabhängiges“ Kind kann in der Nacht sehr oft die Eltern aus dem Bett springen lassen, weil es zum Wiedereinschlafen oder Weiterschlafen den Schnuller braucht und ihn alleine nicht findet. Wenn schon Schnuller, dann wirklich überlegt, wie ein Medikament überlegt eingesetzt werden sollte und auch mit Blick auf die Zukunft und nicht nur auf den momentanen „Vorteil“ Der Schnuller ist nicht die einzige Möglichkeit, ein aufgebrachtes oder sonstwie unruhiges Kind zu beruhigen, es gibt auch Alternativen. • Das Kind kann getragen werden. Durch das Tragen wird das Bedürfnis des Kindes nach Körperkontakt, Geborgenheit, Wärme und Nähe gestillt und mit einem gut gebundenen Tragetuch hat man mindestens eine Hand frei, um andere Dinge zu tun. • Das Kind kann gebündelt werden. Das Bündeln gibt dem Baby das Gefühl von Geborgenheit und lässt es seinen Körper und seine Grenzen spüren. Das Gefühl von Begrenzung hilft dem Kind sich sicher zu fühlen. • Man kann ein Nest bauen. Auch hier ist die Begrenzung der springende Punkt, der dem Kind Geborgenheit vermittelt. • Massage, eine warmes Bad oder auch ein warmes Körnerkissen können beruhigend wirken. Schaukelbewegungen (Wiege, Hängematte, Schaukelstuhl, mit Tragetuch spazieren gehen, Kinderwagen), monotone Geräusche (Staubsaugen, Auto fahren), beruhigende Musik, Singen und Tanzen mit dem Baby und auch der Schutz vor Überreizung (viele Besucher, Fernseher) helfen einem Kind sich zu beruhigen. Als Saugersatz bietet sich ein Finger (von Kind oder Vater oder Mutter) oder eventuell auch ein Lutschetuch an. Schnuller sind auch nicht „kiefergerecht“, wie es immer wieder behauptet wird. Solltest Du Zeit zum Lesen haben, so möchte ich dir das Buch „Das 24-Stunden-Baby“ von Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears gibt viele Anregungen wie Eltern mit ihrem besonders anstrengenden Baby (er nennt sie Babys mit erhöhten Bedürfnissen ) umgehen können. Das Buch ist im Buchhandel und bei jeder LLL-Stillberaterin (oder hier im Still-Shop) erhältlich . LLLiebe Grüße Biggi


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