Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Carbimazol 20 mg und stillen - geht das?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

zur Vita

Frage: Carbimazol 20 mg und stillen - geht das?

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Sehr geehrter Frau Welter, bei mir wurde Morbus Basedow festgestellt. Die Werte sind fast dreifach so hoch wie normal. Jetzt soll ich 20 mg Carbimazol einnehmen und innerhalb von 14 Tagen komplett abstillen. Am Wochenende haben wir es mit der Flasche versucht. Mein Sohn (8,5 Monate) nimmt keine Flasche. Jetzt meine Frage: Kann ich trotzdem stillen? Kann man ein anderes Medikament nehmen? Geringere Dosis? Was könnte ich tun? Wie kann ich meinem Sohn die Flasche nahebringen? Wie kann ich ihn beruhigen auch ohne Brust? Muss ich wirklich abstillen? Das ist ganz schlimm für mich, weil ich für das Stillen hart gekämpft habe. Liebe Grüße


Biggi Welter

Biggi Welter

Beitrag melden

Liebe mamaSina3, ich zitiere dir sehr gerne aus "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" Schaefer, Spielmann, Vetter 7. Auflage 2006: Thyreostatika Erfahrungen. Zu den Thyreostatika zählen Carbimazol (z. B. Carbimazol Hexal®), Propylthiouracil (z. B. Propycil®), Thiamazol (= Methimazol, z.B. Favistan®) und Natriumperchlorat (Irenat®). Carbimazol wird zu Thiamazol als aktivem Metaboliten verstoffwechselt. Carbimazol und Thiamazol besitzen einen M/P-Quotienten von etwa 1. Unter täglich 40 mg Carbimazol wurden Konzentrationsspitzen des Methimazol von 0,72mg/l Milch gemessen (Cooper 1984). Daraus errechnet sich eine relative Dosis für Carbimazol von maximal 27% für Jen gestillten Säugling, im Durchschnitt sind jedoch nur 2-10% der gewichtsbezogenen Dosis anzunehmen (Übersicht in Bennett 1996). Unter 5 mg/Tag Thiamazol konnten maximal 65 µg/l Milch gemessen werden. Ein Säugling erhält demnach täglich bis zu 9,8 µg/kg. Das entspricht etwa 12% der mütterlichen Dosis pro kg Körpergewicht. Im Plasma eines gestillten Zwillingspärchens wurde Thiamazol mit 45 und 53 µg/l im subtherapeutischen Bereich gefunden. Die Kinder zeigten keine Symptome, ihr Schilddrüsenstatus war unauffällig (Rylance 1987). Von 46 gestillten Kindern, deren Mütter einen Monat lang 20 mg Methimazol und von 42, deren Mütter zunächst 30 mg täglich einnahmen und dann bis auf eine Erhaltungsdosis von 5-10 mg reduzierten, wiesen alle gleich bleibend normale T3-, T4- und TSH-Werte auf (Azizi 2002). Nicht nur altersentsprechende Schilddrüsenparameter, sondern auch eine normale psychomotorische Entwicklung bis zum Alter von 49 bis 86 Monaten wurden beobachtet (Azizi 2003). Bei Behandlung mit 400 mg Propylthiouracil wurden in der Muttermilch maximal 0,7 mg/l gefunden. Das sind für den Säugling in 24 Stunden höchstens 0,1 mg/kg, also 1,5% der mütterlichen gewichtsbezogenen Dosis. Der M/P-Quotient liegt bei 0,1 (Kampmann 1980). In älteren, methodisch unzureichenden Untersuchungen wurden M/P-Werte von 12 beschrieben. Eine neuere Untersuchung an elf Kindern, deren Mütter täglich 300-750 mg einnahmen, erbrachte erhöhte TSH-Werte bei zwei Kindern 7 Tage nach der Geburt. Diese normalisierten sich jedoch trotz gleich bleibender oder erhöhter mütterlicher Dosis. Es wurde kein Zusammenhang zwischen der mütterlichen Dosis und dem mütterlichen Schilddrüsenhormon fT4 einerseits und dem kindlichen TSH andererseits gefunden. Die Autoren sehen auch bei der höchsten Tagesdosis kein Risiko für das gestillte Kind (Momotani 2000). Natriumperchlorat ist ein Reservethyreostatikum. Es blockiert die Schilddrüse durch Verdrängung des Iod und wird bei szintigraphischen Untersuchungen anderer Organe mit radioaktiv markiertem Iod verwendet. Durch Perchlorat wird auch der Iodtransport in die Brust gehemmt (Janssen 2001), denn das laktierende Brustgewebe kann Iod anreichern. Erfahrungen zur Stillzeit liegen nicht vor. Empfehlung für die Praxis: Propylthiouracil ist Thyreostatikum der ersten Wahl in der Stillzeit. Thiamazol und Carbimazol können auch eingenommen werden, insbesondere wenn die tägliche Erhaltungsdosis 10 mg nicht überschreitet. Wenn Thiamazol oder Carbimazol in einer höheren Dosierung gegeben werden, oder die Dosis von Propylthiouracil im oberen therapeutischen Bereich liegt, sollten nach etwa 3 Wochen die Schilddrüsenparameter des Säuglings kontrolliert werden. Schilddrüsenhormone dürfen nicht zusammen mit Thyreostatika gegeben werden, da hierdurch eine höhere Dosierung der Thyreostatika erforderlich wird. Natriumperchlorat soll in der Stillzeit nicht genommen werden. Sollte die Ärztin/Arzt nähere Informationen benötigen, können sie sich an die Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie in Berlin Tel.: 030 303081111 wenden. Das Team um Dr. Ch. Schaefer hat dort einen speziellen Beratungsdienst für Ärzte zu Medikamentenfragen und Fragen zu Diagnoseverfahren in Schwangerschaft und Stillzeit eingerichtet. Gute Besserung und LLLiebe Grüße Biggi


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.