Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Baby schreit plötzlich so viel

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Baby schreit plötzlich so viel

Finnja_2

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Liebe Biggi Welter, ich weiß nicht, ob Sie mir mit meinem Problem weiterhelfen können, aber ich probiere es einfach mal. Mein Sohn ist jetzt 21 Wochen alt und seit gut einem Monat ist er total unruhig und schreit viel. Wenn wir morgens aufstehen und ich ihn gestillt habe, ist er maximal eine halbe Stunde gut drauf, brabbelt, spielt und lacht. Und plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, wird er quengelig und fängt an zu schreien. Nur mit Mühe kann ich ihn zum Schlafen bringen. Er schläft eine halbe bis eine Stunde, dann wacht er auf und alles geht wieder von vorne los. Ich stille ihn – oder versuche es – er schreit und ich versuche ihn zu beruhigen. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass das Geschrei an der Brust noch schlimmer wird. Schließlich schläft er entweder wieder vor Erschöpfung ein oder er lässt sich durch Herumschaukeln beruhigen. Den Zenit erreichen wir dann am Abend. Er schreit eine dreiviertel Stunde wie am Spieß, will nicht trinken, nicht im Kinderwagen herumgeschoben oder herumgetragen werden, Schnuller nimmt er auch nicht. Schließlich schläft er wieder irgendwann vor Erschöpfung ein. Die Nacht über schläft er bis jetzt noch gut. Aber am nächsten Morgen geht das alles wieder von vorne los. Mein Mann und ich wissen wirklich nicht mehr weiter. Unser Kinderarzt meinte, der Kleine hat „Babyzeug“ – also entweder Bäuchlein, Wachstumsschmerz oder Zahnprobleme – aber so lange? Ich bin der Meinung, dass der Kleine einfach ständig übermüdet ist, da seine Augen immer ganz klein und gerötet sind und er sich mit den Händchen die Augen reibt. Und offensichtlich hat er „verlernt“, einzuschlafen, wenn er müde ist? Sie müssen wissen, dass der Kleine bis vor vier Wochen kaum geschrien hat und immer alleine eingeschlafen ist, wenn wir ihn hingelegt haben (sowohl tagsüber als auch abends). Vielleicht sind mein Mann und ich zu verwöhnt, aber wir würden unseren Sohn so gerne verstehen und ihm helfen. Es kann doch nicht sein, dass er sich bis zur Erschöpfung schreit und auch die Brust verweigert. Viele Grüße und bitte entschuldigen Sie den langen Text. Jessica


Biggi Welter

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Liebe Jesssica, eine ganz wichtig Lektion, die wir Mütter alle lernen müssen lautet: Wir können unsere Kind nicht immer glücklich machen, selbst wenn wir uns dafür auf den Kopf stellen würden oder uns selbst restlos aufopfern würden. Es steht nicht immer in unserer Macht, unsere Kinder stets glücklich zu machen, aber deshalb sind wir keinesfalls schlechte Mütter (Eltern). Babys sind von Geburt an (bzw. bereits im Mutterleib) eigene, individuelle Persönlichkeiten mit eigenem Charakter, Temperament und auch mit eigener Stimmungslage. Ob eine Mutter ein ruhiges, zufriedenes, (fast) immer lächelndes Baby hat oder ein Kind, das als „Schreibaby" bezeichnet wird, das hängt nicht zwingend von ihren Fähigkeiten als Mutter ab. Vieles ist einfach angeboren. Wenn dein Kind viel quengelt und weint, dann kann es sein, dass es ein Baby mit erhöhten Bedürfnissen ist, ein High Need Baby, wie diese Kinder von dem amerikanischen Kinderarzt Dr. William Sears genannt werden. Ein High Need Baby braucht sehr viel mehr Einsatz von seiner Mutter/Eltern. Es ist kein „pflegeleichtes" Kind. Oft zeigen sich die Erfolge der Bemühungen der Mutter erst nach längerer Zeit und die Mutter zweifelt an sich selbst. Deshalb ist es so wichtig, dass Mütter/Eltern wissen, dass es High Need Babys gibt und wissen, dass sie keine „Schuld" haben. Sehr gut beschrieben sind High Need Babys in dem Buch „Das 24 Stunden Baby" von Dr. William Sears und Dr. Sears gibt auch Anregungen und Erklärungen, was Eltern tun können, um zu einem einfacheren Alltag mit ihren Kindern zu kommen. Das Buch ist im Buchhandel, bei der LLL, jeder LLL Stillberaterin und im Stillshop auf dieser Seite erhältlich. Ein sogenanntes 24 Stunden Baby kann für die ganze Familie eine Herausforderung sein und es ist nicht immer einfach Wege zu finden, die Bedürfnisse der Mutter auch zu berücksichtigen. Das Tragen ist sicher eine gute Möglichkeit, um gerade diesen Babys viel Körperkontakt zu geben und damit Halt in jedem Sinn. Suche dir jetzt auch jede Unterstützung, die Du bekommen kannst. Auch dein Partner kann den Kleinen tragen und beruhigen. Das Kind kann gebündelt werden. Das Bündeln gibt dem Kind das Gefühl von Geborgenheit und lässt es seinen Körper und seine Grenzen spüren. Das Gefühl von Begrenzung hilft dem Kind sich sicher zu fühlen. Du kannst ein Nest bauen. Auch hier ist die Begrenzung der springende Punkt, der dem Kind Geborgenheit vermittelt. Massage, eine warmes Bad oder auch ein warmes Körnerkissen können beruhigend wirken. Schaukelbewegungen (Wiege, Hängematte, Schaukelstuhl, mit Tragetuch spazieren gehen, Kinderwagen), monotone Geräusche (Staubsaugen, Auto fahren), beruhigende Musik, Singen und Tanzen mit dem Baby und auch der Schutz vor Überreizung (viele Besucher, Fernseher) helfen einem Kind sich zu beruhigen. Als Saugersatz bietet sich ein Finger (von Kind oder Vater oder Mutter) oder eventuell auch ein Lutschetuch an. Gönne dir selbst zwischendurch etwas für dich und wenn es nur eine halbe Stunde in aller Ruhe in der Badewanne ist. In dieser Zeit kann dein Partner, eine Freundin oder sonst ein lieber Mensch deinen Sohn halten oder mit ihm spielen. Lege dich auch tagsüber mal mit dem Kleinen hin. Wenn er im Liegen an deiner Brust einschläft, sind die Chancen größer, dass er weiterschläft, als wenn Du ihn im Sitzen stillst und dann schlafend hinlegst. Probiere vielleicht auch mal aus, wie dein Kind auf Massage reagiert. Manche Kinder können sich dadurch gut entspannen und es gibt inzwischen ja doch schon fast überall Angebote für Babymassagekurse. Und setze auf die Zeit: Auch dein kleiner Mann wird älter und reifer werden und das Leben wird dann wieder einfacher. Und bitte lass dir von keinem Menschen einreden, dass Du dein Baby verwöhnst! In unserer Gesellschaft ist es üblich geworden, Babys bereits sehr früh „erziehen" zu wollen, damit sie nicht „verwöhnt" werden und ihnen ihre Grenzen gezeigt werden. Manchmal kann ich mich bei diesen Diskussionen nicht des Eindrucks erwehren, dass das ein richtiges Horrorszenario entwickelt wird, in dem Eltern und Baby sich als Feinde gegenüberstehen und einander bekämpfen (müssen). Ein so kleines Wesen kann man noch gar nicht verwöhnen. Dein Baby hat noch keinerlei Zeitgefühl und deshalb ist es am besten, auf seine Bedürfnisse sofort zu reagieren. Dein Sohn empfindet zum Beispiel jetzt ein Hungergefühl. Er befindet sich damit in einer unangenehmen Lage, aus der er sich nicht selbst befreien kann, und schreit deshalb. Er hofft, dass dann jemand (also Du) kommt und ihn aus dieser unangenehmen Situation erlöst. Da er noch nicht versteht was gleich, in ein paar Minuten oder nächste Woche bedeutet, ist die Jetzt Situation für ihn bestimmend und erscheint ihm endlos. Ansprüche und Bedürfnis stimmen bei einem Baby überein. Wenn dein Baby also aufhört zu weinen, sobald Du es hochnimmst (und an die Brust legst), dann behalte es einfach weiter in deinem Arm und sei froh, dass Du da bist, um auf dieses wichtige emotionale Bedürfnis einzugehen. Behandele dein Baby unbedingt wie ein Baby, nicht wie die verkleinerte Ausgabe eines Erwachsenen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: „Babys are Human Beeings"‘) habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden „Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Kopf hoch, auch dein kleiner Mann findet sich mit jedem Tag besser zurecht und Ihr werdet bald wieder ruhigere Zeiten haben. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Annushka

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Hallo liebe Finnja_2, mein Kleiner hat genau das durchgemacht in den ersten 3 Monaten. Er lies sich zuerst durch nichts beruhigen. Danach half das Hüpfen auf einem Gymnastikball. Ich kann dir wärmstens "Der Klang der Natur - Wald Bach Regen und Meer (ohne Musik) Naturklänge für Körper und Geist - Entspannung und Wellness für die Seele" empfehlen. Unser Kleienr war nur bei Waldbach ruhig :) Wir haben's über amazon bestell, kostet nut 6 €. Sei stark, die Zeit geht auch vorüber. Viele Grüße A.


Mitglied inaktiv

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Hallo Finnja_2, unser Baby hat das auch nach anfänglicher total ruhiger und friedlicher Zeit gemacht, so dass es quasi zum Schreibaby wurde. Wir haben den unglaublich hilfreichen Tipp bekommen, unser Kind möglichst viel im Tragetuch zu tragen. Das hat alles verändert. Anfangs war ich unsicher, und das übertrug sich auch auf die Kleine. Eine Trageberaterin konnte uns dann aber super helfen, und es dauerte nicht lange, da hatten wir ein zufriedenes Kind, das auch im Tuch wunderbar schlafen konnte, z.T. konnten wir sie dann auch daraus ablegen, um was anderes erledigen zu können. Heute (19 Monate) liebt sie das Tuch noch immer sehr, schläft aber nach dem Stillen wach ins Bettchen gelegt selbst ein und ist ein sehr ausgeglichenes Kind, außer bei Entwicklungsschüben, zahnen und Krankheiten natürlich, und dann hilft uns das Tuch auch wieder unheimlich, denn da hat man beide Hände frei und kann dennoch einkaufen, Hausarbeiten machen etc. Als unsere Kleine noch winzig war, hab ich damit sogar staubgesaugt und Betten bezogen, während sie friedlich schlief. Unser Tuch ist ein elastisches von MAM. Da gibts eins mit Hanfanteil, das man auch länger (beim größeren Kind) verwenden kann. Der Vorteil des elastischen Tuches ist, dass man es einmal bindet und das Kind dann rein- und rausnehmen kann, ohne immer neu zu binden. Anfangs ist das natürlich gewöhnungsbedürftig, und man kriegts oft noch nicht so perfekt hin, aber das lernt sich recht schnell. Alles Gute! Viele Grüße Sileick


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