Frage im Expertenforum Kinderwunsch an Dr. med. Friedrich Gagsteiger:

Einnistungsversagen?

Dr. med. Friedrich Gagsteiger

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Reproduktionsmediziner

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Frage: Einnistungsversagen?

Ki_Wu2024

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Ich habe eine Frage zum Thema Einnistungsversagen. Ich habe nach einer ersten IVF mit einem negativen Frischversuch und einem negativen Kryoversuch eine Biopsie der GMSH machen lassen und die Genetik/Gerinnung testen lassen. Bei der Biopsie kamen erhöhte Plasmazellen raus. Auf natürliche Killerzellen wurde nicht getestet.  Alles weitere war ohne Befund. Nach 14 Tagen Doxy wollte die Klinik keine Kontrollbiopsie weil die Plasmazellen zu 97 % weg wären. Der anschließende Kryo mit einer Blasto, die gute Qualität hatte, allerdings nach dem Auftauen ein - erhalten hat, war wieder negativ. Die behandelne Ärztin hat keine Idee mehr, was man machen könnte und meinte es sei komisch mit 34 drei negative Versuche zu haben. Spricht man hier schon von Einnistungsversagen?


Dr. Friedrich Gagsteiger

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1. Wann spricht man von Einnistungsversagen? Der Begriff „Einnistungsversagen“ (auch „implantation failure“ oder „recurrent implantation failure“) ist nicht einheitlich definiert. Häufig wird davon gesprochen, wenn nach mehreren (meist 2–4) Transfers von Embryonen guter Qualität keine Schwangerschaft eintritt. Allerdings legen manche Zentren die Schwelle erst bei drei oder gar vier gescheiterten Transfers fest. Bei Ihnen gab es insgesamt drei negative Versuche (1 Frischtransfer und 2 Kryotransfers). In diese Kategorie kann man Sie – je nach Auslegung – bereits einordnen. Andere Zentren würden eventuell noch einen weiteren Versuch abwarten, bevor sie von „Einnistungsversagen“ sprechen. 2. Chronische Endometritis und Plasmazellen Dass erhöhte Plasmazellen im Endometrium gefunden wurden, spricht für eine chronische Endometritis – eine Entzündung der Gebärmutterschleimhaut, die die Einnistung beeinträchtigen kann. Die Gabe von Antibiotika (z. B. Doxycyclin) ist dabei die gängige Therapie. Kontrollbiopsie: Einige Kliniken empfehlen sie, um sicherzugehen, dass die Entzündung vollständig abgeklungen ist. Andere verzichten darauf, wenn die Befunde nur leicht erhöht waren und die Therapie die übliche Dauer hatte. Sollten Sie das Gefühl haben, dass der Befund noch nicht ausreichend überprüft wurde, könnten Sie das Gespräch mit Ihrem Team suchen und eine erneute Biopsie oder weitere Tests (Bakterienkulturen, Mikrobiomanalyse) ansprechen. 3. Weitere Ursachen und mögliche Untersuchungen Wenn bei wiederholten Versuchen mit guten Embryonen keine Schwangerschaft eintritt, können weitere Faktoren infrage kommen: Immunologische Abklärung NK-Zellen (Natural Killer Cells): Ihre Klinik hat diese nicht getestet. Einige Reproduktionszentren untersuchen NK-Zell-Parameter im Blut oder im Endometrium. Andere immunologische Marker (z. B. T-Regulatorzellen, Autoantikörper). Endometrium-Rezeptivität ERA-Test (Endometrial Receptivity Analysis): Zur Bestimmung des optimalen Zeitpunkts des Transfers („Implantationsfenster“). EMMA- und ALICE-Test: Zur Untersuchung des Endometrium-Mikrobioms und möglicher pathogener Bakterien. Genetik Karyotypisierung (bei Ihnen und Ihrem Partner): um Chromosomenanomalien auszuschließen. Präimplantationsdiagnostik (PID bzw. PGT-A): zur Abklärung, ob eventuell unerkannte Chromosomenstörungen der Embryonen die Einnistung verhindern. Gerinnungsstörungen Wenn die Gerinnung unauffällig war, sind schwere Gerinnungsprobleme (z. B. APS) eher unwahrscheinlich. Dennoch lohnt sich bei hartnäckigen Fällen manchmal eine umfangreiche Abklärung. Lebensstilfaktoren und Co. Schilddrüse (TSH, T3, T4, ggf. Antikörper) Vitamin-D-Spiegel Allgemeiner Gesundheitszustand, Stress, Schlaf, Gewicht, etc. 4. Statistischer Faktor: „Pech gehabt?“ Auch wenn drei gescheiterte Versuche natürlich sehr belastend sind, darf man die Statistik nicht außer Acht lassen. Eine Kinderwunschbehandlung hat – selbst unter optimalen Bedingungen – keine 100%ige Erfolgsquote. Es kann also durchaus sein, dass alle nötigen Voraussetzungen im Prinzip erfüllt waren, es aber statistisch gesehen einfach noch nicht geklappt hat. Gerade mit 34 Jahren hat man immer noch eine gute Prognose, aber es können mehrere Versuche nötig sein, bis es zur Einnistung und einer fortlaufenden Schwangerschaft kommt. Die Erfolgsraten pro Transfer liegen je nach Zentrum, Embryo-/Blastozystenqualität, Stimulationsprotokoll und persönlichen Faktoren oft zwischen 30–50% (manchmal etwas mehr oder weniger). Dass man innerhalb von drei Versuchen keinen Erfolg hatte, könnte also – rein rechnerisch – auch „nur Pech“ sein. 5. Zusammenfassung und Ausblick Nach drei negativen Transfers kann man unter Umständen schon von „Einnistungsversagen“ sprechen, doch ist das kein fest definierter Begriff. Einige Zentren empfehlen zusätzliche Diagnostik erst nach dem 3. oder 4. Versuch. Die chronische Endometritis kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Wenn Unsicherheit herrscht, kann eine Kontrollbiopsie hilfreich sein. Weitere Untersuchungen (Immunologie, Endometrium-Rezeptivität, Mikrobiomanalyse, genetische Tests) sind möglich, um Gründe für das Ausbleiben einer Schwangerschaft zu finden. Statistisch ist es allerdings ebenfalls möglich, dass es schlicht noch nicht geklappt hat, ohne dass eine schwerwiegende Störung vorliegt. Tipp: Falls Sie das Gefühl haben, Ihr aktuelles Zentrum hat keine weiteren Ideen oder Sie sind mit der Vorgehensweise nicht zufrieden, könnte eine Zweitmeinung in einem anderen Kinderwunschzentrum sinnvoll sein. Ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe, Sie finden gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam den richtigen Weg!


Ki_Wu2024

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort, ich denke wenn der nächste Versuch negativ ist, werde ich mindestens eine Zweitmeinung einholen, da meine Klinik keine weiteren Tests für sinnvoll hält. Eine Anschlussfrage habe ich noch - gibt es einen Zusammenhang zwischen Plasma- und Killerzellen? 


Dr. Friedrich Gagsteiger

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Zunächst einmal sind „Plasmazellen“ und „Killerzellen“ (meist „NK-Zellen“, also Natürliche Killerzellen) zwei unterschiedliche Typen von Immunzellen mit unterschiedlichen Aufgaben: Plasmazellen entstehen aus aktivierten B-Lymphozyten und produzieren Antikörper (Immunglobuline). Finden sich gehäuft Plasmazellen im Endometrium (CD138-positive Zellen), spricht das häufig für eine chronische Endometritis. Killerzellen (NK-Zellen) gehören zum angeborenen Immunsystem und können virusinfizierte oder entartete (z. B. Tumor-) Zellen direkt abtöten. Im Bereich der Reproduktionsmedizin befasst man sich oft mit NK-Zellen, weil ihr Aktivitätsgrad (bzw. ihre Menge) in der Gebärmutter und im Blut möglicherweise mit Einnistungsproblemen in Zusammenhang stehen kann. Gibt es einen Zusammenhang? Kein direkter „1:1-Zusammenhang“. Plasmazellen und NK-Zellen sind zwei grundlegend verschiedene Zelltypen. Ein vermehrtes Vorkommen an Plasmazellen bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch NK-Zellen erhöht oder erniedrigt sind – und umgekehrt. Indirekte Zusammenhänge durch Entzündung. Sowohl eine chronische Entzündung (z. B. Endometritis) als auch eine (zu) aktive Immunantwort können das Milieu in der Gebärmutter beeinflussen. Besteht eine Entzündung, kann sie unterschiedliche Immunzellen anziehen – darunter auch NK-Zellen. Allerdings gibt es keine einfache Regel wie „viele Plasmazellen = viele NK-Zellen“. Unterschiedliche Testverfahren, unterschiedliche Fragestellungen. Die Untersuchung auf erhöhte Plasmazellen (CD138-Färbung) dient v. a. dem Ausschluss oder Nachweis einer chronischen Endometritis, die man dann z. B. antibiotisch behandeln könnte. Die Bestimmung von NK-Zellen (im Blut oder am Endometrium) wird eher in der Abklärung von möglichen immunologischen Problemen bei wiederholtem Implantationsversagen oder Fehlgeburten eingesetzt. In der Praxis bedeutet das: Wenn vermehrte Plasmazellen festgestellt werden, wird in der Regel zunächst die chronische Endometritis behandelt (Antibiotikatherapie). Sollte sich danach weiterhin kein Erfolg einstellen oder der Verdacht auf eine immunologische Ursache bestehen, kann man zusätzlich gezielt NK-Zell-Untersuchungendurchführen (z. B. peripheres Blut oder ggf. Gebärmutterbiopsie), um andere immunologische Faktoren abzuklären. Fazit: Plasmazellen und NK-Zellen sind zwar beides Immunzellen, haben aber völlig unterschiedliche Rollen. Ein direkter, linearer Zusammenhang (z. B. wenn Plasmazellen erhöht, dann auch automatisch NK-Zellen) besteht nicht. Beide Tests (CD138 für Plasmazellen und NK-Zell-Bestimmungen) können aber sinnvoll sein, um verschiedene Aspekte einer immunologischen oder entzündlichen Ursache für Implantationsversagen auszuschließen oder zu behandeln.


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