elischeba
Sehr geehrter Herr Dr. Busse, meine Frage zielt ab auf die Darstellung von Geburtenstationen in meist amerikanischen Filmen, in denen die Väter vor einer Fensterscheibe im Krankenhaus stehen um ihre Neugeborenen zu betrachten. Dieses Szenarion wirkt für mich so surreal und entbehrt sich für mich jeglicher Logik bzw verstehe ich den Hintergrund für diese Situation nicht. Wieso wurden augenscheinlich in früheren Jahrzehnten in Krankenhäuser Babys in solchen Bettchen hinter einer Scheibe zur Schau gestellt, welchen Zweck hatte dieses Schaufenster? Wurde so etwas von niemanden kritisiert (Trennung der Mutter, keinen Körperkontakt, etc.) bzw ab wann war das nicht mehr Usus? Gab es diese Vorgehensweise bei uns auch oder ist es ein Phänomen amerikanischer Krankenhäuser gewesen? Danke für die Auskunft, ich finde darüber nichts, wenn ich google bemühe.
Liebe E., das ist doch nun wirklich keine fachliche Frage an den Kinderarzt. Sie können das gerne mit anderen Eltern diskutieren. Alles Gute!
Tigerblume
Wie alt bist Du? Frag doch einfach mal Deine Mutter. Mein Bruder, geboren 1983, wurde mir als Neugeborenes im Krankenhaus hinter einer solchen Scheibe präsentiert. Die Babys waren gemeinsam in einem eigenen Zimmer wo logischerweise nicht jeder Besuch reinlatschen konnte, daher die Scheibe. Die Babys wurden dort versorgt und die Mütter konnten sich ausruhen. Wenn sie ihre Babys bei sich haben wollten, wurden ihnen diese gebracht oder sie konnten hingehen.
elischeba
Danke für die Antwort! Ich bin Jahrgang 91, aber mein Bruder wurde 83 geboren. Eine gute Idee, ich werde meine Mutter dazu befragen. Also es war ein Raum in dem die Babys von Krankenschwester versorgt wurden, wenn die Mutter sich ausruhen wollte, der von einer Seite einsehbar war? Für jeden der daran vorbeiging? Also nicht nur explizit für Familienangehörige? Ich verstehe das Konzept nicht ganz, warum war das Kind nicht einfach bei der Mutter und konnte dort besucht werden? Ich stelle es mir etwas befremdlich vor als Vater oder Geschwister das Kind durch eine Scheibe zu betrachten, anstatt es in einer Situation kennenlernen zu dürfen, die auch Nähe zulässt, wo das Kind zB gehalten werden kann.
Tigerblume
Ich war 5 Jahre alt und erinnere mich nur noch bruchstückhaft. Vermutlich gab es im Babyzimmer einen Vorhang, der zugezogen werden konnte? Das war nicht befremdlich sondern völlig normal. Man kannte es ja nicht anders. Rooming-in kam erst irgendwann später in Mode.
Frida19
Hallo, ja so etwas gab es bei uns auch. Es ist noch gar nicht so ewig lange her, dass es üblich war, dass die Babys nachts im Säuglingszimmer schliefen im Krankenhaus und nicht bei der Mutter. Das war eben so! Es gab auch Zeiten, wo es nicht üblich war, dass die Väter bei der Geburt dabei waren. Es gab auch Zeiten, wo schon Kleinstkinder alleine ins Krankenhaus mussten, wenn sie mal krank wurden und wo es nur eine kurze Besuchszeit am Tag gab - auch für die Eltern. All das ist noch gar nicht so unendlich lange her. Klar - mehrere Jahrzehnte und trotzdem finde ich das noch keinen so langen Zeitraum. LG
Frida19
Selbst als meine Ältesten geboren wurden war es in dem Krankenhaus nicht üblich, dass die Kinder über Nacht bei der Mutter blieben. Das war nicht gewollt. Als die Mittleren geboren wurden, war es schon einfacher, das durchzusetzen. Und als die Jüngsten geboren wurden, da gab es das Säuglingszimmer nicht mehr. So ändern sich die Zeiten.
Andrea6
Das war in Deutschland bis weit in die 90er Jahre in den meisten Kliniken üblich. Die Kinder waren die ersten 2 Stunden nach der Geburt im Kreißsaal bei den Müttern, anschließend wurden Mutter und Kind getrennt auf Wochenstation und Kinderzimmer verlegt. Die Babys wurden 5x täglich zu festgelegten Zeiten zu den Müttern gebracht und verbrachten maximal eine Stunde dort. Stillkinder wurden vor- und nachher gewogen und die "Differenz" später mit Formulanahrung aufgefüllt - unter diesen Bedingungen gelang das Stillen meist nicht. Was das "Zeigen an der Glasscheibe" betrifft: das zentrale Kinderzimmer hatte ein Fenster mit Vorhang, und zu festgelegten Zeiten konnten Verwandte das Baby präsentiert bekommen - wie im Kasperletheater. Zur Entlassung nach 5 bis 10 Tagen wurden die Babys überreicht wie ein Geschenk; kaum eine Mutter hatte bis dahin ihr Kind mal wickeln (dürfen), geschweige denn ein Vater. Ab Ende der 70er gab es schleichende Veränderungen in diesem Procedere; diese sind allein Müttern zu verdanken, die nicht länger von ihren Babys getrennt sein wollten und ihre Forderungen durchsetzten. Krankenhäuser waren quasi gezwungen, die uns heute als selbstverständlich erscheinenden Gewohnheiten wie rooming-in, Väter bei der Geburt dabei u.v.m. einzuführen, da ansonsten dort die Geburtenzahlen zurückgingen. Die Informationen, welche Krankenhäuser welche (heute selbstverständlichen!) Möglichkeiten der Geburtshilfe und Wochenbettaufenthaltes boten waren schwer zu bekommen - das kann man sich heute gar nicht mehr so richtig vorstellen.
elischeba
S. g. Herr Busse, bitte Verzeihen Sie meine Falscheinschätzung, ich war der Meinung ein Kinderarzt wäre der passende Ansprechpartner für meine Frage, da es sich um ein Vorgehen von Krankenhäusern handelt(e) und ich war der Meinung als Mediziner könnten Sie mir da Auskunft geben.
bina2020
Hallo. Meine Schwester wurde 4 Wochen zu früh geboren und kam sofort nach der Geburt in den Brutkasten. Meine Mutter hat sie erst nach ein paar Tagen gesehen, als sie sie mit dem Rollstuhl in die Kinderabteilung geführt haben. (Ohne Kaiserschnitt wohl gemerkt.) Heute schmeißen sie einen nach einem Kaiserschnitt sobald man seine Beine spürt aus dem Bett. Und auch bei der Privatsphäre wurde ein großer Schritt nach vorne gemacht. So gab es vor langer Zeit in Krankenhäusern Schlafsäle mit viele vielen Betten. Heute kaum mehr als ein 4 oder gar 6 Bettzimmer vorstellbar. In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Medizin und im Umgang mit den Patienten sehr viel geändert. Zum Glück. Es gibt auch kaum mehr Mitarbeiter im Krankenhaus die meinen "das haben wir immer schon so gemacht, also machen wir das auch weiterhin so.", sich also gegen den Fortschritt wehren. (Zumindest hab ich sowas von der neuen Generation noch nicht gehört.) Es gibt sehr sehr viel Fortschritt im medizinischen Bereich. Und zwar in jeder Hinsicht. Wer weiß, wie es in 40 Jahren aussieht. Da hält man unsere heutige Generation wahrscheinlich für veraltet und fragt sich, warum wir das so und jenes so gemacht haben. Lg