Frage: Freiwilliges Wiederholen der 3. Klasse?

Guten Tag Frau Henkes,  unsere 8jährige Tochter besucht die 3. Klasse der Grundschule (Bayern). Vor einem Jahr wurde bei ihr Legasthenie, Dyskalkulie und ADS diagnostiziert. Seitdem absolviert sie eine Lerntherapie. Trotz ihrer Lernschwierigkeiten hat sie in allen Fächern außer Mathematik gute Noten (in Deutsch und HSU die Note 2 im Zwischenzeugnis) und liest mittlerweile auch relativ gut. In Mathematik hatte sie in der 2. Klasse eine 4, in der 3. Klasse wurden die Noten in Mathematik vorübergehend ausgesetzt. Die Lehrerin schätzt sie momentan eher so im Bereich von 5-6 ein, meinte aber, sie kann es nicht sagen, da z.B. das schriftliche Subtrahieren recht gut klappt. Auch in Geometrie zeigt sie gute Leistungen.  Wir überlegen nun, ob es sinnvoll ist, dass unsere Tochter die 3. Klasse wiederholt um ihr mehr Zeit zu geben und die Chance, den Übertritt auf die Realschule zu schaffen. Andererseits ist sie sehr gut in ihrer Klasse integriert und möchte auf keinen Fall wiederholen. Sie ist insgesamt sehr motiviert und leistungsbereit und wir befürchten, dass das Wiederholen einen negativen Effekt auf ihr ohnehin schwaches Selbstwertgefühl hat.  Mit der Schule sind wir so verblieben, dass wir nach den Pfingstferien entscheiden, wie es weitergeht. Zudem wird sie Stimulantien wegen des ADS erhalten.  Vielleicht haben Sie ein paar Denkanstöße für mich. 

von Aurela am 15.04.2024, 14:59



Antwort auf: Freiwilliges Wiederholen der 3. Klasse?

Guten Tag, Ihre Tochter ist eine gut integrierte, motivierte Schülerin. Wenn Sie sie die Klasse wiederholen lassen, könnte sie den Eindruck bekommen, dass bei ihr etwas nicht stimmt. Das gilt es meines Erachtens trotz Legasthenie und Dyskalkulie unbedingt zu vermeiden. Ihre Tochter kann in den genannten Bereichen nur Fortschritte machen, wenn sie sich selbst gut und richtig findet. Das muss sie von Ihnen übernehmen. Wenn Sie die Wiederholung der dritten Klasse möchten, kann Ihre Tochter nicht sicher sein, dass Sie sie in Ordnung finden, so wie sie ist. Das ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass sie sich in ihrem Sosein besser akzeptieren kann. Nur so kann sie auch zu mehr Selbstwertgefühl finden. Unterstützen Sie Ihre Tochter darin, ihre Stärken herauszufinden. Die müssen nicht im schulischen Bereich liegen. Bieten Sie ihr vielfältige Gelegenheiten sich zu erproben. Eine nachgewiesene Dyskalkulie wird sicher auch auf der Realschule bei der Notengebung berücksichtigt werden. Möglicherweise hilft Ihrer Tochter nach der Lerntherapie auch eine gezielte Dyskalkuliebehandlung. Sollte Ihre Tochter auf der weiterführenden Schule Schwierigkeiten haben, müsste sie später vielleicht wiederholen. Dann ist es jedoch nicht Ihre Entscheidung sondern eine der Schule. Sie können dann Ihre Tochter dabei unterstützen, diese Entscheidung zu verarbeiten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 15.04.2024



Antwort auf: Freiwilliges Wiederholen der 3. Klasse?

Liebe Frau Henkes, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!  Wir haben auch noch mal mit unserer Tochter gesprochen und ebenfalls den Eindruck bekommen, dass unsere Tochter möchte, dass wir an sie glauben und ihr das zutrauen. Leider empfehlen sowohl die Schule als auch die Sonderpädagogin das Wiederholen im Hinblick auf den Übertritt. In Bayern entscheidet die Stelle hinter dem Komma über die weitere Schullaufbahn. Der Elternwille spielt keine Rolle und es gibt weder Nachteilsausgleich noch Notenschutz bei Dyskalkulie. Wir haben Angst, dass unsere Tochter auf der Mittelschule landet, wo sie aufgrund ihrer Intelligenz und Motivation aber nicht richtig wäre.  Die Lerntherapie macht sie bei einer Dyskalkulietherapeutin. Sie macht gute Fortschritte, es wird aber noch dauern, bis sie auf dem Niveau der anderen ist. Wir sind uns so unsicher hinsichtlich ihrer schulischen Entwicklung. Beste Grüße,  Aurela

von Aurela am 18.04.2024, 23:25



Antwort auf: Freiwilliges Wiederholen der 3. Klasse?

Guten Tag, Ihre Unsicherheit bezüglich der schulischen Entwicklung ist sehr verständlich, weil Sie für Ihre Tochter das Beste wollen. Damit bekommt die Schullaufbahn eine oft zu dominierende Bedeutung. Für Ihre Tochter ist es am wichtigsten, dass Sie bedingungslos hinter ihr stehen und sie in ihrer gesamten Entwicklung unterstützen. Ihre Tochter wird Entscheidungen der Schule vermutlich leichter akzeptieren können. Sie kann ja die Dyskalkulie nicht schneller überwinden als sie es versucht. Da Ihre Tochter intelligent und motiviert ist, können Sie darauf vertrauen, dass sie ihren Weg machen wird, unabhängig von der Schule, die sie besuchen wird. Alles Gute Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 23.04.2024